Die verordnete "einrichtungsbezogene Impfpflicht" für Angestellte in Kranken- und Pflegeberufen, auch in den zuarbeitenden Bereichen, soll weiterhin, wie durch die Politik eingefordert, am 16. März bundesweit zum Einsatz kommen. Die Verwirrung unter den betroffenen Angestellten, wie auch den Arbeitgebern, ist weiterhin hoch, da die Kommunikation seitens der Politik eher für Unsicherheiten, denn einen klaren Blick auf die Gesamtsituation sorgt. Wie schauen die genauen Details und Definitionen des beschlossenen Gesetzes aus? Die verwirrende Sachlage stellt wegweisende Fragen: Darf eine Einrichtung überhaupt noch ungeimpfte Angestellte führen? Wer spricht gegebenenfalls notwendige Kündigungen aus, der Arbeitgeber oder die zuständigen Gesundheitsämter? Müssen ungeimpfte Angestellte überhaupt gekündigt werden? Muss der Arbeitgeber für ungeimpfte Angestellte haften?
Das ARD-Politmagazin Panorama hat für seine aktuelle Sendung deshalb beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) angefragt und um eine klärende Stellungnahme des Bundesgesundheitsministers gebeten, um die aktuelle Sachlage den Zuschauern zu erläutern. Die Moderatorin informierte, dass laut Mitteilung des BMG Minister Lauterbach "nicht zur Verfügung stand".
Einem Interview stellte sich der Gesundheitspolitische Sprecher der Grünen Janosch Dahmen, der in den Medien auch als gemeinsamer "Architekt" des neuen Impfgesetzes mit Karl Lauterbach gilt. Auf die Frage, ob er davon ausgehe, dass ab dem 16. März 100 Prozent der betroffenen "Pflegekräfte und Mitarbeiter in den Pflegeheimen und Kliniken geimpft seien", antwortete Dahmen, dass dort, wo in entsprechenden Berufsbereichen Verantwortung getragen wird, "eine eindeutige Impfquote" benötigt werde: "Das Gesetz gilt, das ist eindeutig in der Aussage ...", so Dahmens Darlegung.
Patrick Larscheid, Vorstand vom Verband der Amtsärzte in Berlin-Brandenburg, kritisierte in der Sendung, dass die aktuellen Informationen und Formulierungen des Gesetzes zu viel Spielraum für individuelle Interpretationen geben würden, dies damit nur zu Unsicherheiten führt: "Eine absolut unerträgliche Situation", so Larscheids Aussage. Die Politik hätte wesentliche, wichtige Bereiche im Gesetz, nachdem diese "sehr schnell" beschlossen wurden, "nicht mehr angefasst". Demnach würde die Politik die Gesamtverantwortlichkeit über dementsprechende Formulierungen offensichtlich und vollkommen auslegbar den Gesundheitsämtern zuschieben. So heißt es in dem der Panorama-Redaktion zugesandten Gesetzestext des BMG schwammig:
"Der Arbeitgeber hat hier keine Verpflichtung zu einer etwaigen Freistellung der ungeimpften Mitarbeiter" (...) und weiter "... entscheidet das zuständige Gesundheitsamt nach pflichtgemäßen Ermessen im Einzelfall (...) und wird dabei auch die Personalsituation in der Einrichtung berücksichtigen."
Aufgrund dieser Vorformulierungen ergäbe sich nun die Situation von "reinen Ermessengrundlagen", woraus sich automatisch die Frage stelle, ob die nun zuständigen Gesundheitsämter dahingehend überhaupt in der Lage sind, die Vorgaben umzusetzen und auszuführen. Larscheid verneint dies, da die Ämter "überhaupt nicht einschätzen könnten", wie viele Angestellte eine Einrichtung benötige, um den laufenden Betrieb in Gang zu halten. Es würden eindeutig formulierte Kriterien fehlen, der Verband der Amtsärzte fühle sich stellvertretend mit dieser neuen Situation "inhaltlich komplett überfordert". Larscheid befürchtet:
"Da ist sicher sehr viel Willkür dabei und jetzt kann man da hingehen und sagen, lass uns nicht Willkür sagen, lass uns – pflichtgemäßes Ermessen – sagen (...) am Ende ist es Willkür."
Auf diese Sorgen und Befürchtungen angesprochen, reagierte der Gesundheitspolitische Sprecher der Grünen Dahmen mit der Feststellung:
" (...) müssen wir an das Gesetz nochmal ran und müssen so nachschärfen, dass hier eindeutig dafür gesorgt wird, dass der Patientenschutz an erster Stelle steht und eine Durchsetzung der einrichtungsbezogene Impfpflicht damit sichergestellt ist."
Dies bedeutet, solange das Gesetz so bestehen bleibt, die Gesundheitsämter zudem personell gar nicht in der Lage sind, dementsprechende eingeforderte Kontrollen der Mitarbeiter hinsichtlich des Impfstatus in den Einrichtungen durchzuführen, drohe erstmal niemandem die Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, außer der Arbeitgeber reagiert in Eigeninitiative. Dahmen bezeichnete es in dem Interview als "inakzeptabel", sollten Arbeitgeber aufgrund Personalmangels sich entscheiden, für ungeimpfte Arbeitnehmer Ausnahmen auszusprechen. Sollte die Politik bei dieser Strategie bleiben, sieht wiederum Patrick Larscheid die baldige Situation, dass die Gesundheitsämter hinsichtlich ihrer Verantwortung "kapitulieren".
Dahmen stellte nüchtern fest, dass Regionen und Länderbereiche ein zeitnaher akuter Pflegepersonalmangel drohe: "Falls dadurch Personal, das die notwendige Qualifikation, die notwendige Impfung hat, nicht zur Verfügung steht, dann werden wir an den Stellen Betten nicht betreiben können." Ein Leiter von mehreren Pflegeeinrichtungen mit insgesamt 1.000 Mitarbeitern kommentierte trocken: "Es scheint so zu sein, dass es ein Scheingesetz ist" im Rahmen einer "Scheindebatte", ausgehend der sich nun herauskristallisierenden Situation, dass ungeimpfte Angestellte theoretisch erstmal weiterarbeiten können.
Es gibt sehr wohl jedoch Einrichtungen in Deutschland, wie die Klinikgruppe Artemed mit 17 Standorten in der Region Freiburg, die eigenständig eine rigorose Durchsetzung der Impfpflicht schon seit Januar 2022 umsetzen. Dort sind mittlerweile von 7.500 Mitarbeitern bis auf 100 alle geimpft. Diese 100 sind wiederum freigestellt und erhalten aktuell keine Lohnfortzahlung, könnten aber nach nachweislicher Impfung wieder die Arbeit aufnehmen, so der Geschäftsführer der Artemed-Gruppe im Interview.
Business Insider zitiert Janosch Dahmen aktuell mit den Worten, dass jedoch auch die Möglichkeit bestünde, das "Instrument der Amtshilfe" einzusetzen, so könne "beispielsweise der Bund über die Bundeswehr oder auch andere kommunale und Landesbehörden mit Personal unterstützen, wenn vorübergehend eine große Anzahl an Entscheidungen in diesem Bereich anstünden". Schon in den Jahren 2020 und 2021 hatte die Bundeswehr in Gesundheitsämtern sowie Senioren- und Pflegeheimen bei administrativen Aufgaben während der Pandemie ausgeholfen.
Janosch Dahmen geriet diese Woche auch durch die Teilnahme an der ARD-Talksendung Maischberger in den Fokus der Öffentlichkeit, wo er sich einer kontroversen Diskussion mit dem Präsidenten des Verbands Pneumologischer Kliniken, Dr. Thomas Voshaar, stellen musste:
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