von Bernhard Loyen
Seit dem 8. Dezember 2021 ist Nancy Faeser Bundesministerin des Innern und für Heimat. Schon zu Beginn ihrer Amtszeit definierte die Politikerin die gesteckten Ziele für die kommenden vier Jahre ihrer Tätigkeit: "Ein besonderes Anliegen wird mir sein, den Rechtsextremismus zu bekämpfen", so die Aussage zur vermeintlich "größten Bedrohung unserer Demokratie" bei ihrer Vorstellung am 6. Dezember 2021 im Willy-Brandt-Haus in Berlin.
Zu Beginn dieser Woche forcierte die Ministerin schriftlich wie verbal auf mehreren Ebenen ihre Mutmaßungen hinsichtlich von ihr wahrgenommenen jüngsten Tendenzen in diesem Land und dementsprechend notwendigen Maßnahmen bzw. Konsequenzen. Mit Beginn einer stetig wachsenden Teilnehmerzahl bei Versammlungen von Maßnahmengegnern der aktuellen Corona-Regierungspolitik, ob auf Demonstrationen oder bei sogenannten Spaziergängen, werden die Teilnehmer in einer parallel verlaufenden Orchestrierung großer Teile berichtender Medien und der Politik unisono als Rechtsextremisten, Rechte oder "rechts Duldende" diskreditiert. Nun erweiterte Faeser ihren Fokus von der Straße in die Behördengänge. Zwei Tweets vom 10. Februar, einmal als Ministerin sowie über den Ministeriums-Twitter-Account, bestätigen die angekündigte Strategie:
Wer aktuell als "Verfassungsfeind" gilt und abgewertet werden darf, definieren gegenwärtig zuarbeitende Medien und die Politik. Stichworte werden sich dabei im gegenseitigen Schulterschluss zugespielt. Schon zu Beginn des Jahres sah Faeser Tendenzen von "gewaltvollen Corona-Protesten", Radikalität und daraus resultierenden Notwendigkeiten:
"Man muss Kritik und andere Meinungen immer ernst nehmen. Das gehört in einer Demokratie dazu. Wenn Menschen radikal werden, dann ist eine Grenze erreicht. Dann muss der Rechtsstaat durchgreifen."
Am 4. Januar appellierte oder warnte sie, je nach individuellem Blickwinkel, über einen Tweet, gerichtet an jene Bürger, die ihren Unmut über die Politik der zurückliegenden Wochen und Monate auf der Straße kundtun, mit folgenden Worten:
"Schauen Sie genau hin, mit wem Sie da demonstrieren. Schauen Sie sich an, was das eigentliche Ziel der Demonstration ist. Diese Differenzierung ist sehr wichtig."
Und wer der vorgegebenen "Differenzierung" nicht folgen möchte? Wer lieber seiner Lebenserfahrung, seinem Bauchgefühl vertraut und nicht der Politik und einem Großteil der Medien?
Am 11. Januar war Ministerin Faeser zu Gast im Morgenmagazin (MoMa) des ZDF. Der Untertitel des knapp fünfminütigen Interviews lautete: "Gewalt bei Protesten – Reichen die Maßnahmen?" Der Moderator Mitri Sirin beeindruckte als zuverlässiger Stichwortgeber. Bei der Anmoderation klärte er die Zuschauer darüber auf, dass es "schon wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei" gekommen sei, "zum Beispiel in Sachsen oder Sachsen-Anhalt" (waren ihm die anderen Kundgebungen in allen 16 Bundesländern der Republik nicht bekannt oder wollte er sie nicht erwähnen?), bei der Personen "ohne Masken, ohne Abstand und ohne Ausweise"(!) teilgenommen hätten.
Sirin musste dann noch erwähnen, dass er von einem Polizisten im Gespräch erfahren hätte, "dass man auf diesen Demos angespuckt und angepöbelt werde". Die Ministerin nickte betroffen, appellierte dann an potentielle Teilnehmer von "Spaziergängen" und Protestveranstaltungen, man möge sich genau anschauen, mit wem man da Seite an Seite laufen würde.
Der Moderator dann vermeintlich wissend: "Trotzdem fragen sich viele gerade, warum wird da nicht härter durchgegriffen auf diesen Demonstrationen?" Wen meinte er mit "viele", die am 11. Januar nachweislich 380.000 ZDF-Zuschauer des Morgenmagazins? Die Teilnehmer ohne Masken betitelte Sirin als "grenzwertige Teilnehmer". Dieses Stichwort nahm die Ministerin auf und bestätigte, dass sie "es gut finden würde", wenn es Auflagen wie eine Maskenpflicht auf Demonstrationen gibt. Man könne dann gegebenenfalls "direkt bei Verstoß einschreiten". Das nächste Stichwort lieferte wieder der Moderator:
"Verfassungsfeinde gibt es ja nicht nur unter den Demonstrierenden gegen die Corona-Maßnahmen, sondern auch im öffentlichen Dienst. Da haben Sie gerade aufhorchen lassen und gesagt: 'Verfassungsfeinde werden wir schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen als bisher, das sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.'"
Die Redaktion des MoMA kannte also den Tweet der Ministerin vom 10. Januar oder sollte ihn zumindest für das Gespräch kennen. Die Ministerin ergänzte, dass der öffentliche Dienst eine besondere Bedeutung habe als "Wahrer der freiheitlich demokratischen Grundordnung in unserem Land".
"Dort" würden "strengere Ansprüche" gelten. Daher würden "im Moment die Verfahren sehr lange dauern, bis man bei extremistischen Äußerungen auch Beamte und Beamtinnen aus diesem Dienstverhältnis herausbekommt". Dies gelte auch für ruhende Beamtenverhältnisse – "und da möchte ich einfach noch einmal nachschärfen, damit man schneller und konsequenter die Verfassungsfeinde, gerade aus dem Öffentlichen Dienst, auch entlassen kann", so Ministerin Faeser von der SPD.
Der Journalist Paul Schreyer kommentierte genau auf der Ebene, auf der wache und kritische Bürger diese seitens des ZDF unkommentierten Äußerungen der Bundesinnenministerin wahrnehmen sollten:
Die Willy-Brandt-Stiftung informiert auf ihrer Seite zum Stichpunkt "Radikalenerlass": "Der 'Radikalenerlass' gilt bis heute als eine der umstrittensten politischen Maßnahmen aus der Zeit der sozial-liberalen Koalition. Mit ihrem Beschluss vom 28. Januar 1972 wollten Bund und Länder den Eintritt von politischen Extremisten in den öffentlichen Dienst verhindern. (...) Aber auch die Langzeitwirkung und Gegenwartsrelevanz des Beschlusses von 1972 sollen in den Blick geraten: Welche Folgen zeitigte der 'Radikalenerlass' für den Umgang des Staates mit 'Verfassungsfeinden' von links und rechts, für die Bereitschaft zu politischem Engagement, aber auch für das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland? Und wie stellt sich das Für und Wider einer solchen Regelüberprüfung heute dar – vor allem im Lichte der Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz?"
Die Ereignisse der frühen 1970er Jahre der alten Bundesrepublik rund um den Radikalenerlass bezogen sich wesentlich auch auf ausbleibende Beförderungen und vor allem Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst. Erweitert werden müsste die Wahrnehmung und Darlegung der SPD-Stiftung bezugnehmend der aktuellen gesellschaftlichen Dynamiken und Diskreditierungen vermeintlich neuer "Verfassungsfeinde" um die Gruppierungen von kritischen Bürgern in allen 16 Bundesländern dieses Landes, auf den Straßen und Plätzen der Republik. Die Gruppe der Freiheitsliebenden, der Besorgten, den Maßnahmenkritikern, den Verteidigern des Grundgesetzes.
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