Immer mehr Haushalte in Deutschland geraten durch die Kündigung ihrer bisherigen Stromanbieter in die Grundversorgung. Dies geschieht automatisch, ist aber meist mit Preiserhöhungen verbunden. So ist in Berlin der Grundversorger Vattenfall nahezu immer teurer als ein selbst gewählter Discount-Stromtarif.
Bis Ende 2021 hatten mindestens 38 Anbieter bei der Bundesnetzagentur angezeigt, ihren Kunden keinen Strom mehr liefern zu wollen. Sie begründen die Kündigungswellen mit den stark gestiegenen Preisen an den Strombörsen. So hatte etwa der Anbieter Stromio vor Weihnachten all seine Stromlieferverträge für die Marken "Stromio" und "Grünwelt Energie" gekündigt und dies mit einer nie dagewesenen Preisexplosion an den europäischen Energiehandelsplätzen begründet.
Branchenkenner gehen davon aus, dass allein von der Kündigung durch Stromio mehrere Hunderttausend Stromkunden betroffen sind. Ihnen drohen nun höhere Tarife durch den örtlichen Grundversorger, der die Stromlieferung als sogenannte Ersatzversorgung übernimmt.
Manche Anbieter versuchen derweil auf die stille Art, die Preiserhöhung an die Verbraucher weiterzuleiten. So erfahren Kunden teils erst durch die erhöhte Jahresabrechnung oder gestiegene Abbuchungen, dass auch sie für erhöhte Strompreise zur Kasse gebeten wurden.
Das aber ist nach Ansicht von Verbraucherschutzjuristen nicht erlaubt, da eine Preiserhöhung angekündigt und so Kunden die Möglichkeit gegeben werden muss, den Anbieter zu wechseln.
Dunja Neukamp, Juristin bei der Verbraucherschutzzentrale Brandenburg erklärte im rbb, dass Anbieter die Kunden im Rahmen der gesetzlichen Hinweispflicht vorab über die Preiserhöhung informieren müssen und diese dadurch ein fristloses Kündigungsrecht haben und wechseln können.
Problematisch ist daran derzeit aus Kundensicht jedoch, dass Strom mittlerweile nirgendwo mehr wirklich günstig ist. Deutliche Unterschiede gibt es jedoch nicht zuletzt dahingehend, mit welchen Mitteln Anbieter versuchen, Geld von Kunden einzutreiben. In der Kritik steht in Brandenburg und Niedersachsen beispielsweise Voxenergie, weil die Firma einerseits die Preiserhöhung ohne Ankündigung durchzusetzen versuchte und andererseits von Nutzern den Nachweis verlangte, dass sie weniger Strom verbraucht hatten, bevor der Abschlag gesenkt würde.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz müssen auch Kunden, deren laufender Stromvertrag gekündigt wurde, keine Preiserhöhungen akzeptieren. "Der Versorger, der die Kündigung ausspricht, der begeht aus unserer Sicht einen Vertragsbruch", sagte am Mittwoch ein Ministeriumssprecher in Berlin.
Der Sprecher betonte, dass Kunden ein Recht darauf hätten, "den gleichen Preis für den Strom" zu zahlen, "wie sie es mit ihrem ersten Lieferanten, dem Hauptlieferanten, ausgemacht" hätten. Bei Preiserhöhungen sei der kündigende Anbieter verpflichtet, "dem Kunden eine Schadenersatzleistung zu zahlen", erklärte der Sprecher weiter. Stromkunden könnten eine entsprechende Forderung an den ehemaligen Anbieter stellen, da sie in solchen Fällen "einen doppelten Schaden" hätten: Zum einen würden sie ihren gewohnten Stromanbieter verlieren und zum anderen hätten sie es plötzlich mit höheren Preisen zu tun, die sie nie vertraglich vereinbart hätten. Das müssten sie so nicht hinnehmen, so der Sprecher des Verbraucherschutzministeriums.
Im Jahr 2021 waren die Preise an den Strombörsen laut dem Energiewirtschaftliche Institut (EWI) der Universität zu Köln so hoch wie seit mindestens 20 Jahren nicht. Die Strompreiserhöhungen sind besonders schwierig für ärmere Haushalte zu stemmen, deutlich wird dies auch daran, dass die Hartz IV-Erhöhungen bei Weitem nicht mithalten. Laut dem Vergleichsportal Verivox seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 der Regelsatz schrittweise um rund 30 Prozent gestiegen, während die Strompreise im selben Zeitraum jedoch um durchschnittlich 85 Prozent teurer wurden.
Beim Dreikönigstreffen der FDP am Donnerstag versprach Finanzminister Christian Lindner (FDP) Bürgern mit geringem Einkommen finanzielle Unterstützung angesichts der derzeit hohen Energiepreise. Auch langfristig sollen Bürger entlastet werden, etwa durch den Wegfall der sogenannten EEG-Umlage auf den Strompreis, so Lindner. Doch mahnte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch, die geplante Abschaffung der EEG-Umlage sei zwar richtig, bringe einem Durchschnittshaushalt aber nur 13 Euro im Monat. Dabei kann Finanzminister Christian Lindner (FDP) durch die steigenden Energiepreise in diesem Jahr mit deutlichen Mehreinnahmen rechnen.
Energie- und Stromsteuern spülen voraussichtlich rund 1,4 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse als im Vorjahr. Das geht aus einer Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, über die die Neue Osnabrücker Zeitung (Mittwoch) berichtete. Bartsch verlangte vor diesem Hintergrund "Ehrlichkeit in der Steuerdebatte". "Wenn Christian Lindner Entlastungen für übermorgen verspricht, muss er heute etwas gegen die enormen Verteuerungen unternehmen", forderte er. Die Energiepreise seien außer Kontrolle, sagte Bartsch. Duschen, Heizen und Tanken müssten für die Bürger aber bezahlbar sein.
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