Als Folge des Haustierbooms während der Corona-Lockdowns geraten viele deutsche Tierheime an ihre Grenzen. Hester Pommerening vom Deutschen Tierschutzbund, dem nach eigenen Angaben 16 Landesverbände und rund 740 örtliche Tierschutzvereine mit 550 vereinseigenen Tierheimen und Auffangstationen angeschlossen sind, betont gegenüber der dpa:
"Seit dem Sommer müssen immer wieder einzelne Tierheime Aufnahmestopps verhängen, in Teilen Deutschlands spitzt sich die Lage zu."
Während die Vermittlungslage bis Anfang 2021 relativ normal oder aufgrund der hohen Nachfrage nach Tieren sogar besser gewesen sei, habe sich dies mit Ende des zweiten Lockdowns im Frühjahr 2021 umgekehrt. Die Nachfrage sei nicht mehr so groß, während gleichzeitig zahlreiche Abgabetiere, Fundtiere und beschlagnahmte Tiere hinzukämen. "Manche Tierheime haben zwar nach wie vor höchstens mit Einzelfällen von Abgaben und kaum veränderten Beständen zu tun, andere Tierheime hingegen haben gerade ganz massiv zu kämpfen", sagte Pommerening.
Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzverein von 1841, der das Tierheim Süderstraße in Hamburg trägt, macht deutlich:
"Es haben sich definitiv mehr Menschen Tiere angeschafft."
Weil die Vermittlung gut klappe, seien die Zahlen im Tierheim trotz vieler Aufnahmen bisher nicht so hoch. Da es teilweise nicht mehr so einfach möglich war, einfach im Tierheim vorbeizukommen, habe man bei der Vermittlung mehr auf das Internet gesetzt. "Wir haben auch die Tiervorstellungen auf unserer Webseite stark ausgebaut", sagte Fraaß. Das sei gut angenommen worden.
Besonders große Hunde und Katzen, aber auch Kleintiere wurden nach Angaben des Tierschutzbundes häufig von Menschen, die die Tiere wohl unüberlegt während der Lockdowns über Vermittlung im Internet, aus dem Zoofachhandel oder vom Züchter zu sich holten, an die Tierheime abgegeben. Hinzu kämen Fundtiere, deren genaue Herkunft zwar unklar sei, deren Alter aber ebenfalls auf einen Corona-Hintergrund hindeute. Auch beschlagnahmte Tiere, insbesondere Hundewelpen, aus dem zuletzt florierenden illegalen Handel fänden häufig ihren Weg in die Tierheime.
Fraaß sprach von einer "Welpen-Mafia", die den illegalen Handel mit jungen Hunden betreibe. Früher habe man ungefähr ein halbes Dutzend solcher Tiere im Jahr bekommen, jetzt seien es eher hundert. Kranke oder störende Hunde würden von den Händlern auch teilweise einfach im Müll entsorgt oder vergraben.
Zunehmendes Katzenelend
In Teilen Deutschlands scheint es zudem nach Informationen des Tierschutzbundes viel mehr Straßenkatzen zu geben, das Katzenelend nehme vielerorts dramatisch zu. Einer Erhebung im Auftrag des Industrieverbands Heimtierbedarf und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands zufolge gab es von 2019 zu 2020 eine Zunahme von knapp einer Million Katzen in deutschen Haushalten.
"Wenn diese nun vermehrt ausgesetzt oder sich selbst überlassen werden oder trotz Freigang schlicht nicht kastriert wurden, können sich die Tiere unkontrolliert vermehren", sagt Pommerening. Viele Tierheime berichteten von einer regelrechten Katzenschwemme. In Hamburg gebe es dieses Problem auch, konstatiert Fraaß. Zudem sei das ältere Katzenhaus des Tierheims einsturzgefährdet und deswegen nicht nutzbar. Das verschärfe die Situation.
Auch die Feiertage machen dem Tierschutzbund Sorgen: "Leider erleben wir alle Jahre wieder, dass Tiere zum Weihnachtsfest verschenkt werden", berichtet Pommerening. "Aus Tierschutzsicht muss klar gesagt werden: Tiere gehören nicht unter den Weihnachtsbaum". Auch von Spontan- und Überraschungskäufen rate man dringend ab. Viele Tiere endeten dann im Tierheim. Die Gründe seien vielfältig: "Unerwartete Kosten oder die bis dahin unbekannten Ansprüche des Tieres lassen die Freude über ein neues Familienmitglied teils schnell vergehen". Oft bemerkten Eltern auch zu spät, dass ein Großteil der Versorgung an ihnen hängen bleibe, sagte Pommerening.
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(rt/dpa)