Urteil im "Tiergartenmord"-Prozess: Lebenslange Haft für den Angeklagten

Das Berliner Kammergericht hat am Mittwoch sein Urteil im sogenannten "Tiergartenmord"-Prozess gesprochen. Ein 56-jähriger Russe wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte im Auftrag des russischen Staates gehandelt hat.

Mehr als ein Jahr lang haben die Richter versucht, die Hintergründe der Erschießung eines Georgiers tschetschenischer Abstammung im August 2019 mitten in Berlin zu klären. Nun verkündete das Berliner Kammergericht am Mittwoch das Urteil – lebenslange Haft für den Angeklagten.

Angeklagt war ein 56 Jahre alter Russe, der mit einer Scheinidentität nach Berlin gereist sein soll. Nach Auffassung des Gerichts hat er am 23. August 2019 den 40 Jahre alten Georgier in der Parkanlage Kleiner Tiergarten in Berlin-Alt Moabit erschossen. Das Berliner Kammergericht sprach den Mann des Mordes und des illegalen Waffenbesitzes schuldig. 

Die Staatsschutzkammer sieht es außerdem als erwiesen an, dass der Angeklagte im Auftrag des russischen Staates gehandelt hätte. Der Vorsitzende Richter Olaf Arnoldi sagte bei der Urteilsbegründung: 

"Die Tat war durch in Berlin stationierte Helfer akribisch vorbereitet."

Das Gericht folgte damit der Argumentation der Bundesanwaltschaft. Der Getötete, der seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland gelebt hatte, war von russischen Behörden als Terrorist eingestuft worden.

Die Bundesanwaltschaft sah darin das Motiv für die Tötung. Der Mann sei insbesondere deshalb als Staatsfeind betrachtet worden, weil er im Tschetschenien-Krieg gegen Russland gekämpft hatte, erklärte die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Der Angeklagte sei Offizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und hätte für den Auftragsmord eine Scheinidentität erhalten. Die Bundesanwaltschaft sah die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe als erfüllt an und beantragte, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschließt.

Die Verteidigung erkannte für die Version der Bundesanwaltschaft keine stichhaltigen Beweise. Diese Version stütze sich auf teils "höchst fragwürdige Beweismittel", sagte der Verteidiger Robert Unger. Dies gelte sowohl für die Identität des Angeklagten, aber auch für die von der Bundesanwaltschaft angenommene Verbindung zum russischen Staat. Der Beschuldigte selbst hatte zu Beginn des Prozesses über seine Anwälte erklären lassen, er heiße Vadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Verbindungen zum russischen Staat bestritt der Mann.

Der 40-jährige Georgier tschetschenischer Herkunft hielt sich seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland auf. Der getötete Tornike K., der ursprünglich Selimchan Changoschwili hieß, war mit seiner Familie nach Deutschland geflüchtet. Er stellte einen Asylantrag und gab an, gefährdet zu sein. Im Zweiten Tschetschenien-Krieg in den Jahren 2000 bis 2004 schloss er sich der militanten islamistischen Kaukasischen Front an, die auch als Kaukasus-Mudschahidin bekannt ist.

Changoschwili selbst stammt aus dem Pankissi-Tal, einem überwiegend von Muslimen bewohnten Teil Georgiens. Nach dem Kriegseinsatz soll er, ausgestattet mit einem neuen georgischen Pass und unter dem Namen Tornike Kawtaraschwili, gute Verbindungen zu diversen Geheimdiensten gehabt haben.

Nach Überzeugung des Gerichts hat sich der nun verurteilte 56-jährige Russe am 23. August 2019 auf einem Fahrrad in der Berliner Parkanlage von hinten dem Georgier genähert. Aus nächster Nähe habe er auf den 40-Jährigen zunächst zwei Schüsse mit einer Schalldämpfer-Pistole abgegeben. Als das Opfer am Boden lag, schoss er ihm demnach in den Hinterkopf. Der Mann starb am Tatort.

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(rt/dpa)