Alles begann damit, dass am 30. Oktober die Washington Post meldete, man beobachte angeblich eine neue Ansammlung russischer Truppen an der ukrainischen Grenze.
Dabei bezog sich die Zeitung auf nicht näher benannte Quellen, "die sich nur anonym äußern".
Umgehend griff dies der deutsche politische und mediale Mainstream völlig unkritisch auf. Der neuste Erwerb des Axel-Springer-Verlags in den USA, die Tageszeitung Politico, veröffentlichte in der Folge Satellitenfotos von der kommerziellen Firma Maxar Technologies, auf denen schlicht militärische Fahrzeuge zu sehen sind, allerdings ohne die Infrastruktur, die man für einen Truppenaufmarsch oder selbst bei einem Manöver erwarten dürfte. Als Ort des angeblichen Truppenaufmarsches "an der ukrainischen Grenze" wird die kleine Stadt Jelnja nahe Smolensk genannt.
Jelnja liegt allerdings nicht in der Nähe der russisch-ukrainischen sondern an der russisch-weißrussischen Grenze. Von dort sind es bis zur ukrainischen Grenze mindestens rund 300 Kilometer, auf kürzestem Wege bis zum Donbass sogar über 800 Kilometer.
RT DE-Redakteur Florian Warweg wollte vor diesem Hintergrund von dem neuen Regierungssprecher Steffen Hebestreit gern wissen, auf welcher Faktenbasis angesichts dieser realen Distanzen auch er und die gesamte Bundesregierung von angeblichen russischen Truppenkonzentrationen "an der russische-ukrainischen" Grenze spricht. Darauf intervenierte der Sprecher des Auswärtigen Amtes Christofer Burger und erklärte:
"Ich würde vielleicht noch ergänzen wollen: Gehen Sie einmal davon aus, dass sich die Erkenntnisquellen, auf deren Grundlage wir in der Bundesregierung und auch im Bündnis mit unseren Partnern über die Lage in der Ukraine und über die Lage im Grenzgebiet beraten, nicht auf öffentlich zugängliche Quellen, die Sie gerade zitiert haben, beschränken."
Der gesamte Wortlaut im Protokollauszug:
FRAGE WARWEG:
"Herr Hebestreit, Sie hatten jetzt noch einmal die angeblichen Truppenkonzentrationen an der russisch-ukrainischen Grenze erwähnt. Jetzt sind die einzigen Satellitenbilder, die der Öffentlichkeit gezeigt wurden und auf die man sich immer wieder bezieht, Bilder von Jelnja, Oblast Smolensk, 300 Kilometer von der ukrainischen Grenze und 900 Kilometer vom Donbass entfernt. Mich würde interessieren, auf welcher Basis Sie angesichts dieser Distanzen von einer Nähe der russischen Grenze sprechen. Berlin liegt 100 Kilometer von Polen entfernt. Da würde ja keiner davon sprechen, dass Berlin eine Grenzstadt sei. Mich würde also interessieren, auf Grundlage welcher weiteren Informationen Sie von "an der russisch-ukrainischen Grenze" sprechen?"
HEBESTREIT:
"Ich verstehe Ihre Position. Ich versuche es einmal einfach zu machen: Wenn jetzt 100 000 Soldaten in Berlin stationiert werden würden, dann würde die Variante, die Sie gerade ansprechen, also ob das dann eine Grenzstadt sei oder nicht, auch anders beurteilt werden."
BURGER (Auswärtiges Amt):
"Ich würde vielleicht noch ergänzen wollen: Gehen Sie einmal davon aus, dass sich die Erkenntnisquellen, auf deren Grundlage wir in der Bundesregierung und auch im Bündnis mit unseren Partnern über die Lage in der Ukraine und über die Lage im Grenzgebiet beraten, nicht auf öffentlich zugängliche Quellen, die Sie gerade zitiert haben, beschränken."
ZUSATZ WARWEG:
"Das heißt, Sie haben Informationen darüber, dass es russische Truppen direkt an der russisch-ukrainischen Grenze gibt?"
BURGER:
"Das ist ein netter Versuch. Ich habe, wie gesagt, davon gesprochen, dass sich die Lageeinschätzung, die wir mit unseren Verbündeten und Partnern eng abstimmen, nicht auf öffentlich zugängliche Informationen beschränkt. Wenn diese Informationen jetzt nicht öffentlich zugänglich sind, dann werde ich sie natürlich an dieser Stelle auch nicht ausbreiten können."
ZUSATZ WARWEG:
"Aber die Öffentlichkeit hat ja angesichts der Spannung und der verbalen Angriffe oder zumindest Drohungen, die es gibt, vielleicht doch ein Recht darauf, zu wissen, auf Basis welcher konkreten Informationen die Bundesregierung mit Verweis auf entsprechende Truppenkonzentrationen von einer russischen Aggression spricht. Es heißt ja nicht 'irgendwie in der Nähe', sondern "an der russisch-ukrainischen Grenze"."
BURGER:
"Wir haben ein breites und umfassendes Lagebild, das wir seit vielen Wochen eng mit unseren Partnern und Verbündeten abstimmen, und wir alle in der Europäischen Union und in der NATO teilen gemeinsam die Sorge, dass die Truppenbewegungen, die es auf russischer Seite in den vergangenen Wochen gegeben hat, die Lage an der Grenze zur Ukraine erheblich destabilisieren."
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