Immer wieder treten Flügelkämpfe innerhalb der Partei "Die Linke" nach außen. Vor allem dadurch, dass Vertreter des einen Flügels populäre und renommierte Vertreter des anderen öffentlich angreifen. Zuletzt war Sahra Wagenknecht wiederholt von solchen Angriffen betroffen, nun trifft es einen anderen Granden der Partei: Klaus Ernst.
Ernst, Jahrgang 1954, ist ein langjähriger Gewerkschaftsfunktionär und gilt als ein Vertreter der Arbeitnehmerinteressen innerhalb der früheren Arbeiterpartei. Nach 30-jähriger SPD-Mitgliedschaft schloss er sich im Zuge der Auseinandersetzungen um die "Hartz-IV"-Gesetze der "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit" (WASG) an, die sich 2007 mit der PDS zur Partei "Die Linke" zusammenschloss. Drei Jahre lang war er deren stellvertretender Vorsitzender, zwei Jahre lang Vorsitzender. Seit 2005 sitzt Klaus Ernst im Bundestag.
Nun sollte er für die stark geschrumpfte Fraktion der "Linken" den Vorsitz des Bundestagsausschusses für Klima- und Energiepolitik übernehmen. Dies wäre der einzige Ausschussvorsitz, den die Fraktion im neuen Bundestag noch beanspruchen kann.
Kaum wurde die Entscheidung der Fraktionsführung bekannt, da gab es auch schon Gegenwind. Wie Der Spiegel heute meldete, verfassten "Klima-Aktivisten" einen offenen Brief, in dem sie forderten, dass Ernst den Posten nicht bekommen solle. Wie das Nachrichtenmagazin, dem der Brief vorab vorlag, meldete, störten sich die Verfasser insbesondere an der positiven Einstellung von Klaus Ernst zum Import von russischem Gas. Außerdem wird Ernst in dem Brief wohl als "Porsche-Fan" bezeichnet.
Besonders pikant: Zu den Erstunterzeichnern gehören auch mehrere Linken-Politiker, darunter der Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Pankow Sören Benn.
Der 53jährige Benn spricht eine ganz andere Klientel als der klassische Sozialdemokrat Klaus an: Die "woken" gutverdienenden Bürgerlichen, die sich die teuren Mieten im schnell wachsenden Pankow und im luxussanierten Prenzlauer Berg überhaupt noch leisten können. Wohl deshalb fällt er immer wieder mit Äußerungen auf, welche die traditionellen Linken verstören: Zuletzt äußerte er sich despektierlich über den von den Nazis im KZ Buchenwald umgebrachten KPD-Vorsitzenden und Arbeiterführer Ernst Thälmann (1886-1944).
Tatsächlich hätte noch vor einigen Jahren niemand jemanden wie Benn in der PDS vermutet. Benn engagierte sich zu DDR-Zeiten in der Friedens- und Umweltbewegung im Umfeld der evangelischen Kirche. Eine schärfere Opposition war in der DDR nicht aufzufinden. Derart erbitterte DDR-Oppositionelle gingen bislang zur CDU oder zu Bündnis 90/Die Grünen und bekämpften von dort aus die SED-Nachfolger kompromisslos.
Ob es nun die Aussichten auf eine leichte Karriere waren, die ihn trotz seiner Abneigung gegen alles Sozialistische bewogen, der PDS im Jahr 2000 beizutreten, oder der Kosovo-Krieg, wie Benn selbst von sich sagt – die Partei nahm ihn mit offenen Armen auf: Schon 2006 wurde er in die Bezirksverordnetenversammlung gewählt und ist seit 2008 Vorsitzender der "Linken" in Pankow. 2016 wurde er durch die rot-rot-grüne Zählgemeinschaft erstmals zum Bürgermeister des einwohnerstärksten Berliner Bezirks gewählt, 2021 erfolgte seine Wiederwahl, mutmaßlich mit Stimmen der AfD.
Es bleibt abzuwarten, wie schnell "Die Linke" durch die Fraktionskämpfe zwischen ihren ideologisch und personell unvereinbaren Flügeln zerrieben wird. Wahlen sind so – außer in Berlin-Pankow und Leipzig-Connewitz – jedenfalls nicht zu gewinnen.
Weder Klaus noch Benn wollten die Meldung des Spiegel heute RT gegenüber kommentieren.
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