Deutschlands erste Ampel-Koalition im Bund geht an den Start: SPD, Grüne und FDP wollen den Sozialdemokraten Olaf Scholz an diesem Mittwoch im Bundestag zum neunten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wählen. Er muss mindestens 369 Stimmen erhalten. Die drei Ampel-Parteien kommen zusammen auf 416 Mandate. Der 63-Jährige wäre der vierte SPD-Kanzler nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder.
Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie in den vergangenen 16 Jahren Kanzlerin Angela Merkel. Von ihr wird Scholz im Fall seiner Wahl am Nachmittag im Kanzleramt die Amtsgeschäfte übernehmen. Zuvor muss er von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernannt werden und im Bundestag den Amtseid leisten. Steinmeier wird später auch das aus acht Frauen und acht Männern bestehende Kabinett von Scholz ernennen.
Der Bundespräsident will die Kanzlerwahl zusammen mit seinem Vorgänger Joachim Gauck von der Gästetribüne des Plenarsaals aus verfolgen. Auch Schröder und Merkel wollen kommen. Angekündigt haben sich zudem Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) und die drei ehemaligen Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth (CDU), Wolfgang Thierse (SPD) und Norbert Lammert (CDU).
Die SPD hatte die Bundestagswahl am 26. September gewonnen und war nach einer Aufholjagd mit 25,7 Prozent stärkste Kraft vor der CDU/CSU (24,1 Prozent) geworden. Rechnerisch möglich wäre auch ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP gewesen. Die zwei kleineren Parteien entschieden sich jedoch für Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Ihr dann ausgehandelter 177 Seiten starker Koalitionsvertrag steht unter dem Leitmotiv "Mehr Fortschritt wagen".
Inwiefern dieses Versprechen eingelöst werden kann, ist fraglich, denn im Koalitionsvertrag finden sich widersprüchliche oder nur vage Aussagen. So soll etwa die Möglichkeit, Parteienspenden als Sponsoring (etwa von Parteitagen) zu verschleiern, beendet werden, aber gleichzeitig wollen die Ampel-Parteien "den Personalaustausch und die Rotation zwischen (...) Verwaltung und Privatwirtschaft" fördern.
Auch soll das Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung gesichert werden, aber gleichzeitig kapitalmarktgestütze flankierende Angebote geschaffen werden.
Die Koalitionsparteien versprechen insbesondere Verbesserung beim Kindergeld und dem Arbeitslosengeld II, das in Bürgergeld umbenannt werden soll. Aber zur Höhe dieser Sozialleistungen findet sich im Koalitionsvertrag keine Angabe.
Außenpolitisch droht ohnehin eine noch stärkere aggressive Orientierung gegen China, Russland und weiteren, aus westlicher Perspektive missliebigen Staaten. Immerhin will Berlin auch unter der Ampel-Koalition "immer mehr Verantwortung" anstreben.
(dpa/rt)