"Pimmelgate" oder wer hat in Hamburg den größten Pinsel

Weil der Innensenator Andy Grote auf Twitter als "Pimmel" bezeichnet wurde, durchsuchte die Polizei eine Wohnung in der Hansestadt. Ein "unverhältnismäßiges Vorgehen", befand die Opposition – doch so richtig skurril im Hamburger "Pimmelgate" wurde es am Wochenende.

An der Waterkant liefern sich seit dem Wochenende die linke Szene und die Polizei ein Katz-und-Maus-Spiel. Dabei geht es zwar vordergründig um das bekannte Hamburger "Pimmel-Gate". Aber noch mehr um die Frage, wie sinnhaft Polizeieinsätze sind, um immer wieder Plakate zu übermalen. Mehrfach waren die Beamten mit schwarzer Farbe und Pinsel zum linken Projekt Rote Flora angerückt. Zur Diskussion steht dabei das gesamte Verhalten der Innenbehörde um Senator Andy Grote (SPD). 

Schniedel, Zipfel, Schniepel, Nudel – das Deutsche kennt unzählige Ausdrücke, um das primäre männliche Geschlechtsmerkmal zu umschreiben. Seit Ende des 19. Jahrhunderts gehört auch "Pimmel" dazu – vermutlich eine Ableitung aus dem niederdeutschen "Pümpel", das den Stößel im Mörser bezeichnet. Einem Twitter-Nutzer wurde der "Stößel im Mörser" zum Verhängnis, nachdem die Hamburger Polizei herausfand, dass er derjenige war, der Innensenator Andy Grote als solchen auf dem Kurznachrichtendienst tituliert hatte.

Vorausgegangen war diesem "Ermittlungserfolg" eine Hausdurchsuchung im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Der Beschuldigte hatte auf Twitter an die Adresse von Grote gerichtet geschrieben:

"Du bist so 1 Pimmel."

Die "Pimmelisierung" Grotes durch den Beschuldigten war eine Reaktion auf einen Tweet von Grote. Der hatte Feiernden im Stadtteil Sternschanze, die sich nicht an die Corona-Abstandsregeln gehalten hatten, unter anderem "Ignoranz" und eine "dämliche Aktion" vorgeworfen.

Dabei hatte Grote im Juni 2020 selbst eine Party mit 30 Gästen geschmissen und damit gegen die damaligen Coronaregeln der Hansestadt verstoßen. Gegen ihn wurde im August desselben Jahres ein Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro verhängt, da er eine "verbotene private Zusammenkunft" veranstaltet habe. Grote zahlte das Bußgeld, entschuldigte sich, trat aber nicht zurück.

Nicht wenige in Hamburg betrachteten die Hausdurchsuchung nach dem zugegeben beleidigenden Twitter-Spruch dennoch als völlig überzogen – vor allem im Hinblick auf Grotes eigenes Fehlverhalten. Doch damit war die Geschichte noch lange nicht erledigt. Aus der Nudel wurde ein richtiger Nudelsalat, als der Staatsschutz der Hamburger Polizei im Oktober 2021 weitere Ermittlungen einleitete. Auslöser waren gelbe Aufkleber mit der Aufschrift "Andy, Du bist so 1 Pimmel", die plötzlich in der Nähe von Grotes Wohnung im Stadtteil St. Pauli vermehrt auftauchten.

Die Hamburger Polizei kratzte sie wieder ab und erklärte, dass die Aufkleber "im Sinne der Gefahrenabwehr wegen des erneuten Verdachts der Beleidigung sowie zur Beweissicherung für mögliche Strafverfahren entfernt worden seien". Dann tauchte am vergangenen Samstag plötzlich ein meterhohes Plakat mit "Andy, Du bist so 1 Pimmel" an der Außenwand des linken Kulturzentrums Rote Flora im Stadtteil Sternschanze auf.

Dies sei eine "neue Runde", schrieb die Rote Flora auf Twitter.

Schon am Sonntagmorgen übermalte die Polizei den Text jedoch mit schwarzer Farbe.

Daraufhin schrieben die Initiatoren des Plakats den "Pimmel-Spruch" wieder auf das Plakat – und die Polizei übertünchte es wieder mit schwarzer Farbe. "Damit steht es jetzt 2:2", wie einige Twitter-Nutzer amüsiert schrieben. Es dauerte allerdings nicht lange, bis die Rote Flora den Spruch wieder auf das Plakat pinselte:

Der absurde Wettbewerb zwischen den Aktivisten der Roten Flora und der Polizei veranlasste die Hamburger Morgenpost zu der Frage, wie häufig die Beamten denn "noch zum Pinsel-Einsatz ausrücken" würden.

Die Hamburger Polizei mache sich in diesem "bizarren Kleinkrieg mit der linken Szene komplett lächerlich", so die Zeitung weiter. Es "mangele offensichtlich an wichtigeren Aufgaben – und an kluger Führung". Weiter schreibt die Hamburger Morgenpost in ihrem Kommentar:

"Wir werden uns daran erinnern, wenn es mal wieder heißt, die Polizei hätte zu wenig Personal, die Polizei hätte keine Einsparmöglichkeiten, die Polizei dürfe keine zusätzlichen Aufgaben bekommen, weil die Beamten ja so am Limit seien."

Die Aktivisten der Roten Flora kündigten derweil an, dass sie noch "den einen oder anderen Topf weißer Farbe" hätten. Oder, um es mit dem frischgekürten "Jugendwort des Jahres" zu sagen: voll cringe das Ganze.

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