Bereits im Vorfeld eines Interviews mit der Welt hatte Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze den "Freedom Day" als "irreführend" kritisiert, da dieser den Eindruck suggeriere, "wir wären in den vergangenen anderthalb Jahren nicht frei gewesen". Derlei Gedanken bezeichnete sie als "Quatsch". Am Montag erklärte sie das näher. Sie sagte:
"Der Begriff 'Freedom Day' suggeriert, dass wir seit eineinhalb Jahren unfrei leben würden. Das verhöhnt doch alle, die in autoritären oder totalitären Staaten leben. Historisch kommt der Begriff aus Südafrika und steht dort für das Ende von Kolonialismus und rassenideologischer Apartheid und für den demokratischen Aufbruch."
Außerdem führte sie aus, dass mit dem Terminus das "Narrativ der 'Querdenker' übernommen" und suggeriert werde, "dass wir in einer Corona-Diktatur leben würden".
Einige Einschränkungen bezeichnete Schulze jedoch als "sehr, sehr schmerzhaft". Und:
"Manche wie das zwischenzeitliche Verbot in Bayern, sich allein auf eine Parkbank zu setzen, waren auch einfach unsinnig."
Dass der Rechtsstaat im Großen und Ganzen seit Beginn der Corona-Krise funktioniert hat, steht für die 36-Jährige jedoch außer Frage:
"Während der gesamten Pandemie haben die Parlamente getagt, Gerichte entschieden, es gab eine handlungsfähige Exekutive. Bei den Maßnahmen fand eine schwierige demokratische Abwägung statt, bei der es darum ging, Menschen vor schwerer Krankheit oder dem Tod zu schützen."
Daher waren "vorübergehende Freiheitseinschränkungen" einfach notwendig, da "die persönliche Freiheit dort endet, wo sie andere Menschen gefährdet oder in ihrer Freiheit einschränkt". Eine Willkür ergibt sich für Schulze daraus nicht, sondern die Politik habe stets das "Gemeinwohl" im Blick gehabt.
Angesprochen darauf, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die im März 2020 durch die Regierung von Markus Söder (CSU) verhängte Ausgangssperre für rechtswidrig erklärt hatte, erwiderte Schulz:
"Ich finde es gut, dass das Gericht hierzu ein klares Urteil gesprochen hat und die Gerichte sich jetzt intensiv mit der Aufarbeitung der Corona-Krise beschäftigen. Dieser Aufgabe müssen wir auch als Politik nachgehen. Was können wir als Politik, aber auch Gesamtgesellschaft aus der Krise lernen?"
Eine Rückkehr zur alten Normalität scheint für Schulze in naher Zukunft ausgeschlossen, denn: "Ein Auslaufen der epidemischen Lage darf nicht dazu führen, dass alle Schutzmaßnahmen wegfallen." Vielmehr forderte sie neue Maßnahmen, die juristisch begründet werden müssten:
"Es braucht einen rechtlichen Regelungsrahmen vom Bund, an dem sich die Länder orientieren können. Es ist ein Zeichen der Solidarität, nicht nur auf Eigenverantwortung zu setzen und alle Schutzmaßnahmen fallen zu lassen. Kinder haben viele Monate lang solidarisch mit den Erwachsenen auf viel verzichtet."
Zum Thema Impfen vertritt sie ebenfalls einen deutlichen Standpunkt:
"Ich finde es unsolidarisch, wenn Erwachsene, die sich impfen lassen können, das nicht tun. Die Impfquote ist noch nicht hoch genug, um auf 2G- und 3G-Regeln sowie Maskentragen und Abstandhalten verzichten zu können."
Ab wann diese Quote "hoch genug" sei, verriet Schulze nicht.
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