In einem Gespräch mit Zeitungen der Funke Mediengruppe übte Baerbock am Mittwoch Kritik an Russland. Sie warf Moskau mit Blick auf die hohen Energiepreise ein "Pokerspiel" und "gehörig nach unten" gefahrene Gaslieferungen vor. "Wir dürfen uns nicht erpressen lassen", mahnte die Grünen-Chefin. Sie plädierte dafür, der Ostsee-Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 vorerst keine Betriebserlaubnis zu erteilen. Nach europäischem Energierecht müsse der Betreiber von Nord Stream 2 "ein anderer sein als derjenige, der das Gas durchleitet".
"Solange das ein und derselbe Konzern ist, darf die Betriebserlaubnis nicht erteilt werden."
Ihr Kollege Robert Habeck hatte sich am Sonntagabend in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin ähnlich geäußert:
"Wir sind abhängig von Russland, Russland drosselt die Gaszufuhr. Die Speicher sind nicht voll und die Nachfrage ist hoch. Noch die amtierende Bundesregierung sollte schnell mit Russland reden, dass sich das ändert."
Aus Sicht der Grünen, so Habeck, könne die Ostseepipeline Nord Stream 2 wegen der europäischen Vorgaben noch keine Genehmigung für den Betrieb bekommen.
"Russland scheint so eine Art Pokerspiel mit uns zu spielen. Aber das ist eine außenpolitische Frage, die die amtierende Regierung ja mindestens noch verhandeln kann."
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte dagegen kürzlich mit Blick auf die gestiegenen Gaspreise betont, es gebe eine hohe Versorgungssicherheit in Deutschland. Die Gasspeicher seien zu etwa 75 Prozent gefüllt. Es gebe bei Gasimporten keine einseitige Abhängigkeit von Russland, unterstrich Altmaier und verwies auf höhere Lieferungen aus Norwegen und Großbritannien.
Russischer Botschafter zuversichtlich bei Nord Stream 2
Der Russische Botschafter in Deutschland, Sergei Netschajew, erwartet nach eigenen Angaben, dass auch die kommende Bundesregierung an der Erdgas-Fernleitung Nord Stream 2 festhalten wird. "Das Projekt entspricht den Interessen der deutschen Wirtschaft und der Bevölkerung. Es garantiert die Energiesicherheit", sagte Netschajew der Berliner Zeitung am Mittwoch. Außerdem sei es ein Projekt mehrerer europäischer Länder. Erdgaslieferungen seien "kein politisches Druckmittel" für Russland, "sondern ein gutes Geschäft für alle Beteiligten", sagte Netschajew.
Dennoch schließt Russland eine neue Gaskrise in Europa auch in Zukunft nicht aus. Der für Energiefragen zuständige Vize-Regierungschef Alexander Nowak am Samstag im russischen Fernsehen:
"Ich schließe nicht aus, dass sich eine solche Situation wiederholt."
Er rief deshalb die Verantwortlichen in der EU zu Verhandlungen auf. "Wir sind zu einem Dialog bereit." Russland hatte weitere Lieferungen in Aussicht gestellt. Es gebe aber keine Anfragen dazu, meinte Nowak. Seinen Angaben zufolge fehlen in den europäischen Speichern rund 25 Millionen Kubikmeter Gas. "Dagegen sollte etwas unternommen werden." Russland hatte zuletzt mehrfach eine Verantwortung für die gestiegenen Preise zurückgewiesen.
Russland erfülle seine Vertragsverpflichtungen vollständig, sagte der Vize-Regierungschef. Die Lieferungen an die Weltmärkte seien im Vergleich zum Vorjahr sogar um 15 Prozent erhöht worden. Russland selbst habe 2021 so viel Gas verbraucht wie lange nicht mehr. Nowak führte das auf den kalten Winter und die Erholung der Wirtschaft zurück.
Zuletzt hatte Staatschef Wladimir Putin für eine rasche Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 geworben, die Erdgas von Russland durch die Ostsee nach Deutschland bringen soll. Die Lieferungen über diesen Weg würden zu einer Entspannung auf dem aufgeheizten Gasmarkt führen. Die Pipeline ist zwar fertiggestellt, die Betriebsgenehmigung der deutschen Behörden steht aber noch aus.
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