Der Fall Gil Ofarim ist mittlerweile deutschlandweit bekannt. Der jüdische Sänger behauptete in einem inzwischen viral verbreiteten Instagram-Video, dass er am 4. Oktober abends im Hotel The Westin Leipzig verbal mit einer antisemitischen Bemerkung angegriffen worden wäre, als er in der Warteschlange zum Einchecken stand – angeblich, weil er seine Kette mit einem Davidstern als Anhänger trug. Ofarim behauptet konkret, Herr W. habe ihm angeblich gesagt:
"Packen Sie Ihren Stern ein, dann dürfen Sie ins Hotel einchecken."
Aber was ergäbe es für einen Sinn, wenn Herr W. zu Ofarim sagt "Packen Sie Ihren Stern ein, dann dürfen Sie ins Hotel einchecken", wenn der Stern gar nicht zu sehen war? Tatsächlich zeigen Videoüberwachungsaufnahmen aus mehreren Perspektiven, dass am 4. Oktober abends die Davidsternkette bei Ofarims Ankunft und beim Einchecken eindeutig nicht zu sehen war.
Als Reaktion auf diesen Videobeweis räumte Ofarim später gegenüber der Bild am Sonntag ein:
"Ich weiß nicht, ob ich die Kette unter oder über dem T-Shirt trug. Aber darum geht es auch gar nicht, sondern um das Jude-Sein im Allgemeinen. Es geht hier nicht um die Kette. Es geht eigentlich um was viel Größeres. Da ich oft mit dem Davidstern im Fernsehen zu sehen bin, wurde ich aufgrund dessen beleidigt."
In seinem allerjüngsten Interview hat Ofarim jedoch wiederum und erneut darauf bestanden, dass er die Kette mit dem Davidstern doch trug, obwohl sie auf keinem der Überwachungsvideos zu sehen war. Die Bild-Zeitung zitiert Ofarim so:
"'Ich habe diese Kette immer an, ich bin auch bekannt dafür, dass ich immer mit dieser Kette auftrete.' Er beteuert weiterhin, den Stern getragen zu haben – auch an diesem Abend. Er sei sich bei seiner Aussage gegenüber der Polizei lediglich nicht sicher gewesen, ob er die Kette über oder unter dem T-Shirt getragen habe."
Ofarim sagte weiter: "Man kann den Stern auch durch das T-Shirt sehen. Ich wurde als Jude angegriffen, weil ich den Stern trage. Ich habe nicht gelogen, ich trage den Stern immer. (...) Ich mache so was sicher nicht aus PR-Gründen. Ich mache über solche Themen keine Witze."
Der Fall hatte landesweit einen Shitstorm ausgelöst. Viele reagierten umgehend auf die Darstellungen von Ofarim und drückten ihm ihre Solidarität aus, ohne die andere Seite zu der Geschichte anzuhören.
Andere hingegen bestanden darauf, zunächst beide Seiten hören zu wollen und forderten die Freigabe der Beweise, bevor Menschenleben ruiniert würden. Ein Kommentator merkte an, dass Ofarims Geschichte verdächtig ähnlich zu der vom inzwischen in Ungnade gefallenen US-amerikanischen Schauspieler Jussie Smollett klang, der einst fälschlicherweise behauptet hatte, er wäre in Chicago von rassistischen Homophoben angegriffen worden – nur um Sympathien zu gewinnen und so seine Schauspielerkarriere zu fördern.
Zwei Westin-Hotelangestellte wurden bislang vorübergehend von der Arbeit suspendiert. Der beschuldigte Hotelangestellte Herr W. hat jedoch bereits Anzeige wegen Verleumdung gegen Ofarim erstattet. Er hatte den Vorfall "deutlich abweichend von den Aussagen des Künstlers" beschrieben. Darüber hinaus hatten sich Menschen in den sozialen Netzwerken völlig entfesselt gegen den Hotelangestellten geäußert. Nachdem Herr W. die Anzeige erstattet hatte, erstattete Ofarim wiederum Anzeige gegen Herrn W., was er ebenfalls in einem Instagram-Post bekannt machte.
Unterdessen berichtet Die Zeit, dass sich keine Zeugen für Ofarims Diskriminierungsvorwurf finden lassen. Dagegen hat laut RTL der Leipziger Maler und Grafiker Günther Rothe – ein Augenzeuge, der Ofarim in der Check-in-Schlange gesehen hatte – verlauten lassen, er stehe auf der Seite des renommierten Hotels, das ausnahmsweise an jenem Abend – offenkundig wegen technischer Probleme – zeitweise eine lange Warteschlange beim Check-in zu beklagen hatte.
Die Leipziger Polizei hat inzwischen "ernsthafte Zweifel" daran, dass der Vorfall so stattgefunden hat, wie der Sänger in seiner Instagram-Story berichtet. Die Ermittlungen der Polizei zu dem Vorfall laufen weiter.
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