Wie weit weg sind Deutschlands Politiker und Medienmacher von der Realität der Bundesbürger? Am Montag war SPD-Politikerin und EU-Vizepräsidentin Katarina Barley zu Gast in der Sendung Hart aber fair in der ARD. Zum Thema Inflation und Energiepreise gab sie einem Zuschauer, der sich über teures Tanken, Heizen und Lebensmittel beschwerte den Rat:
"Die Kilowattstunde, die ich nicht verbrauche, ist am billigsten."
Barley, deren monatliche Bezüge in Brüssel nach eigenen Angaben bei 8.757,70 Euro liegen, begründete ihre Aussage auch damit, dass Verbraucher zum Beispiel neue Fenster oder eine Dämmung einbauen lassen können, um den eigenen Energiebedarf zu verringern. Auch SPD Co-Chef Walter-Norbert Borjans mahnt zur Gelassenheit. Er meinte gegenüber dem RND Anfang des Monats:
"Dass wir Deutsche uns angesichts unserer Geschichte besondere Sorgen um Inflation machen, ist verständlich
Aktuell begründet sind sie nicht."
Der WDR-Wirtschaftsjournalist Detlef Flintz legte am Montag in einem Kommentar bei den Tagesthemen noch einen drauf. Für den Klimawandel sei es doch eine gute Sache, wenn der Bürger durch hohe Preise zum sparen animiert werde. Konkret sagte er:
"Er ist da, der Preisschock. Gut so! Nur wenn Öl und Gas spürbar teurer werden, kriegen wir die Erderwärmung in den Griff."
Bis Wind- und Solarenergie in großem Maße zur Verfügung stehen, sei es zu spät. Man solle daher froh sein, "gezwungen zu werden, Konsum und Produktion zu ändern." Er fragte:
"Wollten wir das nicht sowieso?"
Doch das Tempo habe sich eben geändert, nicht mehr die "viel zu zaghafte Politik" diktiere, wie schnell das geht, sondern nun eben die Märkte. Sein Fazit, vor dem nicht weiter ausgeführten Hintergrund, dass "die Reichen ein wenig ärmer werden müssen, und die Armen ein wenig reicher", lautete:
"Die Energiewende werde dauerhaft teuer"
Die Bild dreht am Dienstag den Spieß allerdings um und resümiert:
"Die Politik selbst ist mit Schuld an der explodierenden Inflation – und kassiert damit sogar noch ab. Supermarkt, Tankstelle, Energieunternehmen – überall steigen die Preise. Doch die Politiker unternehmen nichts!"
Andere Medien schwören die Bürger bereits langsam auf eine Stagflation ein – dort trifft eine hohe Nachfrage mit viel billigem Geld auf ein zum Beispiel durch kaputte Lieferketten und hohe Energiepreise klein geschrumpftes Angebot. Das Handelsblatt fragte am Dienstag:
"Wiederholen sich die Siebzigerjahre, in der hohe Ölpreise die Inflation anheizten, während gleichzeitig die Wirtschaft lahmte und die Arbeitsplätze bedroht waren? 'Stagflation' war damals das Schlagwort, und viele Verbraucher und Investoren fürchten, dass wir demnächst etwas Ähnliches erleben."
"Richtig gefährlich wäre es, wenn die steigenden Preise zu einer Lohn-Preis-Spirale führen, die dann auch weiterläuft, wenn die Lieferengpässe nach und nach beseitigt werden." Davon sei zwar zurzeit kaum die Rede, aber es sei nicht völlig abwegig, dass so etwas passieren könne.
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