Gysi will Linkspartei wieder als Ostpartei

Die Partei Die Linke soll wieder die Partei des Ostens werden. Das fordert Gregor Gysi, früher Parteichef und Fraktionsvorsitzender. Der heutige Außenpolitiker analysiert in der Zeitschrift "SUPERillu" das desaströse Wahlergebnis seiner Partei.

Das Wahlergebnis der Partei Die Linke mit knapp unter fünf Prozent bezeichnet deren langjähriger Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, als "desaströs". Nur dank der durch ihn sowie Gesine Lötzsch und Sören Pellmann gewonnenen Direktmandate in Berlin und Leipzig kann die Partei wieder in den Bundestag einziehen. Das ist sogar in Fraktionsstärke möglich, da mehr als fünf Prozent der Abgeordneten von der Linkspartei kommen.

Gysi, zuletzt außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, hat in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift SUPERillu, die vor allem in Ostdeutschland gelesen wird, in einem Gastbeitrag mit seiner Partei und deren bisherigen Kurs abgerechnet. Er sieht eine Überlebenschance nur darin, dass sich Die Linke wieder auf ihre ursprüngliche Quelle Ostdeutschland besinnt.

"Ehemalige SED-Mitglieder sind zu einer Rarität geworden", schreibt der Anwalt. Er hatte im Dezember 1989 geholfen, der einstigen DDR-Staatspartei "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" (SED) als umbenannte und umgebaute "Partei des demokratischen Sozialismus" (PDS) das Überleben zu sichern. Sie wurde an den linken Rand geschoben und blieb lange Zeit die politische Stimme Ostdeutschlands. 2007 vereinigten sich die westdeutsche WASG und die ostdeutsche PDS zur Partei Die Linke.

Neues Denken

Inzwischen gibt es laut Gysi mehr westdeutsche als ostdeutsche Mitglieder – mit Folgen, wie er feststellt:

"Das hat zu einem neuen Denken, einer anderen Struktur in der Partei geführt. All das könnte ein Gewinn sein, wenn nicht der Fehler gemacht worden wäre, die Ost-Identität einzuschränken."

Die ehemalige Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, sieht das Problem ihrer Partei grundlegender. In ihrem Buch "Die Selbstgerechten: Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt" kritisiert sie, dass auch in ihrer Partei "linksliberale Akademiker" sich von der sozialen Frage verabschiedet und einer autoritären Identitätspolitik zugewandt hätten. Das wurde gar mit Forderungen beantwortet, sie aus der Partei auszuschließen.

Das wird Gysi nicht drohen, der auch nicht so weit geht, dass er seine Partei daran erinnert, dass sie ihre beste Zeit und die größte Zustimmung als soziale Protestpartei hatte. Stattdessen fordert er, zur ostdeutschen Identität zurückzukehren, die nur noch und "immer stärker" von der AfD vertreten werde. "Es muss jeden Monat einen Antrag zur Situation in Ostdeutschland durch uns im Bundestag geben", fordert Gysi.

Vielstimmiges Chaos

Er sieht zudem die "Vielstimmigkeit" in der Partei als Problem, weshalb für die Bürger nicht mehr klar sei, wer für welches politische Thema stehe. Der heute 73-jährige Ex-Frontmann der Linkspartei beklagt, dass zu viel miteinander über inhaltliche Fragen gestritten werde. Für viele Menschen entstehe so der Eindruck, "dass wir uns nicht um sie kümmern, sondern vorwiegend um uns selbst".

Gysi nennt das Thema Afghanistan-Krieg als Beispiel. Die Linkspartei und ihre Vorgängerin hätten diesen immer als "falsch" und "Desaster" kritisiert. Aber durch das unterschiedliche Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten zum Bundeswehr-Abzug in diesem Jahr sei ein "chaotisches Bild" abgegeben worden.

Auch den Bundestagswahlkampf und vor allem dabei gemachte Äußerungen zu möglichen Koalitionen kritisiert er. "Nicht alle Formulierungen zu Sondierungs- und Koalitionsgesprächen waren glücklich", stellt er fest. Gysi galt als einer derjenigen seiner Partei, die mit der Kandidatur von Olaf Scholz für die SPD eine "rot-rot-grüne" Koalition anstrebte. "Für die Linken sind 30 Jahre in der Opposition genug", hatte er im August 2020 in einem Interview erklärt. Und hinzugefügt: "Wir müssen mal eine andere Rolle spielen."

Doch nun stellt er in der SUPERillu fest: "Nur gibt es für SPD, Grüne und Linke keine Mehrheit." Der einstige Kopf der PDS und der Linkspartei, hinter dem lange Zeit nichts und niemand zu kommen schien, schreibt:

"Letztlich wird Politik immer von Personen gemacht und man muss sich überlegen, welche Personen für welche Ausstrahlungen bei welchen Themen am geeignetsten sind."

Verlorener Anschluss

Gysi beklagt, dass nur zwei Prozent der Wähler mit Hauptabschluss sich für die Linkspartei entscheiden. "Besonders tragisch ist aber, dass die Partei im Osten nicht nur deutlich hinter der AfD, der SPD und der CDU liegt, sondern nicht selten auch hinter der FDP. Das hat es bisher noch nicht gegeben."

Der heutige Außenpolitiker seiner Partei widerspricht erneut jenen, die meinen, die Linkspartei fordert einen Austritt der Bundesrepublik aus der NATO. Diese Vorstellung habe die Position der Linkspartei geschwächt. Es gebe bei dieser nur die "Vision", das westliche Kriegsbündnis "durch ein Sicherheitsbündnis, das Russland mit einschließt", zu ersetzen. Das sei aber gegenwärtig "undenkbar".

Statt Streit über das desaströse Wahlergebnis fordert Gysi von seinen Genossen "selbstkritische Schlussfolgerungen und einen Aufbruch". Neben der Rückkehr zur Ost-Identität geht es ihm um "reale soziale Vorschläge" und "ökologische Nachhaltigkeit in sozialer Verantwortung". Und seine Partei müsse "selbstverständlich bei der Friedenspolitik bleiben".

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