Ungeimpft in Quarantäne: Nur wer weder krank noch infiziert ist, bekommt keinen Lohnausgleich

Ab November 2021 bekommen Ungeimpfte in Quarantäne, mit Ausnahme von Beamten, keine staatliche Entschädigung für entgangenes Einkommen. Laut BMG gilt das aber nur, wenn sie gesund und negativ getestet sind. Doch warum sind sie dann in Quarantäne?

von Susan Bonath

Hohe Impfquoten haben offenbar keinen Einfluss auf die Corona-Zahlen. Seit Monaten wird das mit Blick auf etliche Länder, darunter nun auch Deutschland, immer deutlicher. Sogar Forscher der renommierten Harvard-Universität fanden das heraus. Die Bundesregierung schert das alles nicht. Sie will Ungeimpften das Leben schwer machen. Ab November sollen sie unter bestimmten Umständen keinen staatlichen Lohnausgleich erhalten, wenn der Staat sie als Kontaktpersonen in die Quarantäne steckt.

Doch die Bedingung für den Wegfall des Lohnausgleiches ist abenteuerlich: Die Personen müssen klinisch gesund und negativ getestet sein. In jedem anderen Fall steht ihnen sechs Wochen gesetzliche Lohnfortzahlung, darüber hinaus Krankengeld zu. Das stellte Sebastian Gülde, Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), auf Anfrage gegenüber der Autorin klar.

Betrifft nur Ungeimpfte, die als "bislang nicht infiziert" gelten

So handele es sich "bei der in Frage stehenden Leistung um eine Erstattungsleistung für Kontaktpersonen (Anmerkung: von positiv Getesteten), die bislang als nicht infiziert gelten", erklärte Gülde. Weiter teilte er mit:

"Sobald bei einer Person eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Erreger festgestellt wurde, gilt sie als erkrankt im Sinne des Sozialrechts. Mit anderen Worten: In diesem Fall greift (egal, ob geimpft oder ungeimpft) die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Diese gilt unverändert"

Demnach sind also nur jene nicht geimpften Personen betroffen, denen das Gesundheitsamt einen Kontakt mit einem positiv Getesteten unterstellt, die aber selbst keinerlei Krankheitssymptome haben und sogar negativ getestet wurden. Denn sobald ein positiver Test vorliegt, definiert das Robert-Koch-Institut (RKI) Betroffene als "COVID-19-Fall", auch wenn sie von ihrer Infektion nicht das Geringste bemerken. Sie sind dann trotzdem krank.

Das wirft vor allem eine Frage auf: Wenn eine mutmaßliche Kontaktperson von einem positiv Getesteten kein einziges Krankheitssymptom hat und sogar der als "Goldstandard" für die Identifizierung "asymptomatischer Infizierter" geltende PCR negativ bleibt, sie laut Gülde deshalb auch als "bislang nicht infiziert" gilt – womit begründen dann Gesundheitsämter ihre Anordnung zur Quarantäne?

Keine Stellungnahme zu "hypothetischen Einzelfällen"

BMG-Sprecher Gülde blieb eine Antwort darauf schuldig. Zur Definition des betroffenen Personenkreises bemühte er lediglich den Paragrafen 56 des Infektionsschutz-Gesetzes (IfSG). Die brisante Frage, warum nachweislich nicht Infizierte dennoch als "ansteckungsverdächtig" deklariert werden, lässt dieser aber ungeklärt. So heißt es darin etwa: "Wer aufgrund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern […] Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld."

Die Autorin wollte mehr wissen. Wenn also ein nachweislich nicht infizierter Ungeimpfter so gesund ist, dass sein Hausarzt ihn nicht für arbeitsunfähig erklären kann, könnte der Arzt ihm dann vielleicht eine Art Gesundheitsbescheinigung ausstellen, woraufhin die Behörde die Quarantäne aufheben müsste? Denn eigentlich wäre dies doch ein Beweis, dass der Betroffene niemanden anstecken könnte.

Sebastian Gülde wollte darauf nicht antworten. Er bat vielmehr "um Verständnis, dass das BMG zu hypothetischen Einzelfällen keine Stellung nehmen kann." Besonders skurril daran ist: Die gesamten Corona-Maßnahmen basierten bisher auf hypothetischen Annahmen. Dazu gehört auch jene in der Fachwelt äußerst umstrittene Erzählung, wonach PCR-Positive ohne Symptome andere anstecken könnten. Allerdings: Eine Annahme, dass auch symptomlose PCR-Negative andere mit einer Krankheit anstecken können, die per "Goldstandard" gerade ausgeschlossen wurde, ist der Autorin bisher nicht bekannt. Medizinisch plausibel erscheint das Vorgehen jedenfalls nicht.

Wer sich ungeimpft sein leisten kann

Damit stellt sich eine weitere Frage: Wenn der Staat ungeimpfte, gesunde und negativ getestete Beschäftigte auf nicht plausibler medizinischer Grundlage in Quarantäne steckt, könnte manch ein Niedriglöhner schnell in Existenznot geraten, wenn er mal eben einen halben Monat ohne Einkommen auskommen muss. Denn Miete und Strom müssen bezahlt, die Kinder versorgt werden. Wo können Betroffene in diesem Fall schnell und unbürokratisch Hilfe bekommen?

Antwort: Das BMG wisse es nicht. Ebenso wenig wisse Gülde, ob auch Arbeitsagenturen und Jobcenter nachziehen und ungeimpften Leistungsberechtigten das magere Budget bei Quarantäne kürzen könnten. Immerhin stehen Betroffene in dieser Zeit der Vermittlung in den Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Dies liege nicht im Verantwortungsbereich seines Ministeriums, machte Gülde deutlich. Die Autorin möge sich dazu an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wenden, mahnte er.

Eine entsprechende Anfrage beantwortete das BMAS innerhalb von eineinhalb Tagen nicht. Vor einigen Wochen hatte ein Ministeriumssprecher der Autorin versichert, dass Leistungsberechtigten bislang jedenfalls keine finanziellen Einbußen drohten, wenn sie etwa einen Job wegen fehlender Impfung nicht bekommen. Es gebe schließlich keine Impfpflicht, hieß es damals. Doch, ob die Aussagen von "damals" heute noch aktuell sind: Wer weiß das schon so genau?

Wahrscheinlich ist, dass sich die Regierung nicht darum schert, wie gesunde Ungeimpfte in Quarantäne ihren Lebensunterhalt trotz vorübergehenden Wegfalls ihres Einkommens bestreiten sollen. Bei Hartz-IV-Beziehern wird Ähnliches seit 2005 praktiziert. Wenn sie einen Termin vergessen, eine Maßnahme nicht antreten oder ihnen die Schuld für einen Arbeitsplatzverlust in die Schuhe geschoben wird, hagelt es Sanktionen. Einen Ausgleich für das verweigerte Existenzminimum gibt es höchstens durch Lebensmittelgutscheine auf Antrag – den Sachbearbeiter auch ablehnen können.

Immerhin: Ungeimpfte Beamten, die solche in Ministerpräsidenten-Konferenzen beschlossene Verordnungen ausführen, müssen keinen Verdienstausfall bei Quarantäne fürchten. Sie bekommen grundsätzlich weiter ihren Sold gezahlt. Ungeimpft sein muss man sich halt leisten können.

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Information:

Das Virus SARS-CoV-2 löst laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Atemwegserkrankung COVID-19 aus. Am 11. März 2020 hat die WHO eine Pandemie ausgerufen. Grundlage dafür ist die weltweit starke Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit hohen Erkrankungszahlen und in der Regel auch mit schweren Krankheitsverläufen. Nach offizieller Einschätzung handelt es sich um ein gefährliches Virus sowie um eine Krankheit, die vor allem für sogenannte Risikogruppen tödlich ausgehen kann. Generell gilt, dass neben Impfungen Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und die AHA+A+L-Regeln – Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Alltag mit Maske, die Nutzung der Corona-Warn-App und regelmäßiges Lüften – essentiell sind. Auch die regelmäßige Verwendung von PCR-Tests, um potenziell infizierte Personen zu identifizieren, damit diese sich in Quarantäne begeben können, wird von den Behörden als sinnvoll erachtet, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Erregers zu ermitteln. Die Erklärungen der WHO und des für Deutschland zuständigen Robert Koch-Institutes zum Virus und zur Pandemie finden Sie hier und hier.