Chancen für "Jamaika"-Koalition schwinden – Debatte um Erneuerung in der Union wächst

CSU-Chef Söder hat eine potentielle Jamaika-Koalition für de facto erledigt erklärt, doch CDU-Chef Laschet glaubt offenbar weiterhin an Verhandlungen über eine unionsgeführte Bundesregierung. Gleichzeitig macht sich in der CDU die Debatte um eine Erneuerung an der Partei-Spitze breit.

Die SPD, die Grünen und die FDP sondieren bereits für eine Ampel-Koalition. Doch der CDU-Vorsitzende und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet glaubt offenbar weiter an die Möglichkeit, eine Jamaika-Koalition mit ihm selbst als Bundeskanzler bilden zu können. In der Union dürfte er inzwischen mit dieser Einschätzung fast alleine sein. CSU-Chef Markus Söder hatte bereits am Mittwoch die Möglichkeit einer Koalition aus CDU/CSU, Grünen und der FDP für "de facto" erledigt erklärt.

Aus Sicht des CDU-Vizevorsitzenden Thomas Strobl hat es sich die Union selbst zuzuschreiben, dass es nun ein Dreiergespräch zwischen SPD, Grünen und FDP über eine neue Bundesregierung gibt. Der baden-württembergische CDU-Landeschef sagte der Nachrichtenagentur dpa

"Für uns ist besonders bitter und hoffentlich eine Mahnung, dass die Entwicklungen, die uns an den heutigen Punkt gebracht haben, selbst verschuldet sind."

Zunächst hätten "zu viele zu intensiv nicht an einem Strang für die CDU und die Union gezogen, sondern versucht, einen persönlichen Vorteil für sich zu ziehen", beklagte Strobl, der auch Innenminister in einer grün-schwarzen Regierung im Südwesten ist. "Und jetzt während der Vorsondierungen haben wir zu wenig das beachtet, was uns nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg geholfen hat: gute Arbeit, strengste Verschwiegenheit, höchste Disziplin – das ist das Fundament nicht nur für ein vertrauensvolles Miteinander, sondern auch für Aufbruch und Erneuerung."

In der CDU werden nun die Stimmen, die einen Neuanfang in der Partei fordern, immer lauter. Seit dem Desaster der CDU/CSU bei der Bundestagswahl steht Laschet massiv unter Druck. Der langjährige CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach legte dem Parteichef bereits einen Verzicht auf den CDU-Vorsitz nahe. Laschet solle demnach den Weg für einen Generationswechsel in der CDU freimachen. Im Fernsehsender Bild Live verwies Bosbach am Mittwochabend darauf, dass Laschet am Vortag den nordrhein-westfälischen Verkehrsminister Hendrik Wüst (46) als seinen Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten vorgeschlagen hatte. Bosbach sagte:

"In NRW hat Armin Laschet mit Hendrik Wüst gezeigt, wie es geht. Er ist ein junges, frisches Gesicht. Er ist Mitte vierzig. Es wäre ein gutes Zeichen, wenn Laschet jetzt auch den Generationswechsel in der CDU moderieren würde."

Es ginge auch um Würde und Achtung für Armin Laschet selbst. "Wir wollen keine wochenlange Demontage. Das sind wir Armin Laschet schuldig, dass wir anständig mit ihm umgehen", so Bosbach weiter. 

An diesem Donnerstag soll die Unionsfraktion um 16 Uhr auf Einladung von Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) zu einer Informations-Schaltkonferenz über die aktuelle Lage zusammenkommen. Mit Spannung wird erwartet, wie sich die Lage für Laschet bis zu den regulären Beratungen der CDU-Spitzengremien – Präsidium und Vorstand – am kommenden Montag in Berlin entwickeln wird.

In der Union wird davon ausgegangen, dass bei der Fraktions-Schaltkonferenz auch über die Frage diskutiert werde, ob sich die Union weiterhin für Verhandlungen über ein mögliches Jamaika-Bündnis bereithalten solle.

Fragen zur politischen Zukunft Laschets ließ der CSU-Chef Söder bei seiner Pressekonferenz unbeantwortet. So erklärte der bayerische Ministerpräsident:

"Fragen, die die CDU betreffen, muss die CDU diskutieren."

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der sich im unionsinternen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur für Söder positioniert hatte, twitterte gestern: "Soeben hat der Ampel-Zug den Bahnhof verlassen." Zum ersten Mal seit 41 Jahren unter dem damaligen Kanzler Helmut Schmidt (SPD) und dem damaligen FDP-Chef Hans-Dietrich Genscher würden FDP und SPD – und Grüne – ernsthaft über eine Koalition sprechen.

"CDU/CSU sind Beobachter. Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen und zeigen, dass wir die Lektion vom 26.9. verstanden haben."

Den Namen Laschet erwähnte Altmaier nicht. Auch CDU-Vize Julia Klöckner meldete sich zu Wort und forderte in der Welt:

"Wir als Union haben die Aufgabe, uns inhaltlich und personell zu prüfen."

Klöckner, die selbst – genauso wie ihr Parteikollege Altmaier – ihr Direktmandat für den Bundestag verloren hatte, ergänzte: "So hart das ist, aber wir müssen diese Situation jetzt als Chance begreifen. Es muss eine neue Dynamik in unserer Partei entstehen."

Sollten sich SPD, Grüne und FDP am Ende von möglichen Koalitionsverhandlungen tatsächlich auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung verständigen, so wäre dies die erste Ampel-Koalition auf Bundesebene überhaupt.

Mehr zum Thema - Gysi und Merz, Baerbock und Amthor – Tops und Flops beim Rennen um die Direktmandate

(rt/dpa)