Am Dienstagmorgen durchsuchten Kölner Staatsanwälte und Polizeibeamte Büros im Hamburger Finanzamt für Großunternehmen, nebst Objekten des 2020 zurückgetretenen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Das berichtet der Kölner Stadt Anzeiger (KStA)
Betroffen von den Ermittlungen ist neben einer Sachgebietsleiterin bei der Finanzbehörde auch der einstige hanseatische SPD-Innensenator Alfons Pawelczyk. Laut Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer bestehe der "Anfangsverdacht der Begünstigung" zur Steuerhinterziehung.
"Die bisherigen Ermittlungen haben Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten der Beschuldigten im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften eines in Hamburg ansässigen Kreditinstituts ergeben."
Dabei handelt es sich um die Privatbank M.M. Warburg. Die Tatverdächtigen waren zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Im Kern geht es um die Frage, warum der Hamburger Fiskus im Jahr 2016 zu Unrecht bewilligte Steuererstattungen an die hanseatische Privatbank M. M. Warburg – immerhin in Höhe von 47 Millionen Euro – nicht zurückforderte, schreibt der KStA.
Das Geld stammte aus mutmaßlich illegalen Cum-Ex-Geschäften der Banker. Trotz der Warnungen der Kölner Staatsanwaltschaft ließ das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen nach Verhandlungen mit dem Geldinstitut seinerzeit die Frist für die Rückforderung der Millionen verstreichen.
Im Jahr 2017 drohten weitere 43 Millionen Euro Steuererstattungen durch illegale Cum-Ex-Geschäfte zu verjähren. Gleich zweimal musste der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die widerspenstigen Hanseaten anweisen, sich zumindest dieses Geld bei der Warburg-Bank zurückzuholen. Inzwischen durchleuchtet ein Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft die Vorgänge.
Die Kölner Ermittlungen sind politisch besonders brisant, fallen sie doch mitten in die ohnehin schon schwierigen Koalitionsgespräche kurz nach der Bundestagswahl. Denn die Kölner Strafverfolger wollen auch klären, ob und inwieweit namhafte SPD-Politiker Einfluss genommen haben, um dem Geldinstitut die Steuergeschenke zu verschaffen.
Damals amtierte Olaf Scholz in Hamburg als Erster Bürgermeister. Der spätere Kanzlerkandidat hatte sich in jener Zeit gleich mehrfach mit den Bankeignern Christian Olearius und Max Warburg in der Angelegenheit getroffen. Im Untersuchungsausschuss bestätigte Scholz die Zusammenkünfte, konnte sich aber nicht mehr an Gesprächsinhalte erinnern. Zugleich bestritt er jegliche Einflussnahme.
Fabio De Masi, Finanzexperte der Partei Die Linke, kritisierte Scholz. "Die Razzia straft Olaf Scholz Lügen", teilte er auf Twitter mit. Kahrs Job sei es gewesen, Olaf Scholz im Auftrag der Warburg-Bank zu lobbyieren. Daher rückt der Skandal mit der Razzia an den potenziellen Bundeskanzler heran. Das Finanzministerium müsste dem Finanzausschuss in geeigneter Weise Rechenschaft über das Treffen zwischen Kahrs, Pawelczyk und Olearius ablegen.
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