Die Bundestagswahlen sind vorüber. Die SPD wird mit 206 Sitzen stärkste Kraft im neuen Parlament, gefolgt von der CDU/CSU mit 196. Drittstärkste Kraft wird mit 118 Sitzen die Partei Bündnis 90/die Grünen, gefolgt von der FDP mit 92, der AfD mit 83 und der Linken mit 39 Sitzen. Das ohnehin bereits zweitgrößte Parlament der Welt legt nach der Wahl am Sonntag noch einmal zu und wird in der kommenden Legislaturperiode eine Gesamtgröße von 735 Abgeordneten vorweisen. 299 Abgeordnete zogen per Direktmandat in den Reichstag ein.
Linkspartei dank Direktmandaten im Parlament
Die Linkspartei scheitert mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen an der Fünf-Prozent-Hürde, gewinnt aber drei Direktmandateund ist damit ebenfalls im neuen Parlament vertreten. Die Kohlen aus dem Feuer holte u.a. Linken-Urgestein Gregor Gysi, der in seinem Wahlkreis Treptow-Köpenick mit 35,5 Prozent gegenüber der CDU-Kandidatin, der ehemaligen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein (13,5), die Nase vorne hatte. Auch Gesine Lötzsch (Berlin) und Sören Pellmann (Leipzig) konnten ihre Direktmandate verteidigen.
Grüne gewinnen in 16 Wahlkreisen, Baerbock verliert gegen Scholz
Und auch bei den anderen Parteien gab es bisweilen unerwartete Resultate nach Auszählung aller Stimmen. So wurden etwa die Grünen bei der Bundestagswahl nicht nur drittstärkste Kraft, sondern konnten bundesweit auch 16 Wahlkreise direkt gewinnen – bei der Wahl vor vier Jahren gelang das der sogenannten Ökopartei nur in einem Berliner Wahlkreis. Erstmals erhält mit Jamila Schäfer im Wahlkreis München-Süd zudem eine Kandidatin der Grünen ein Direktmandat in Bayern. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hingegen konnte sich in ihrem Wahlkreis 61 in Potsdam nicht durchsetzen und verlor gegen den mutmaßlichen neuen SPD-Kanzler Olaf Scholz.
AfD feiert Erfolge im Osten
Sechzehn Direktmandate gewann auch die Alternative für Deutschland – nach nur drei bei der Wahl 2017. Parteichef Tino Chrupalla verteidigte seinen Wahlkreis im sächsischen Görlitz, die übrigen AfD-Wahlkreise liegen ebenfalls in Sachsen sowie in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Für Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel reichte es im Wahlkreis Bodensee mit 9,2 Prozent der Stimmen nicht. Auch sie kommt über die Landesliste in den Bundestag. Die schwierigsten Pflaster für die Rechtspartei sind übrigens Münster und Köln, wo sie nur 2,9 Prozent der Zweitstimmen holte. In 21 Wahlkreisen blieb die AfD laut Bundeswahlleiter unter 5 Prozent.
Maaßen zieht den Kürzeren gegen SPD-Olympiasieger
Ein weiteres Duell lieferten sich Ex-Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (CDU) und der für die SPD antretende ehemalige Biathlon-Bundestrainer Frank Ullrich. Für viele Beobachter scheiterte Maaßen im Südthüringer Wahlkreis 196 überraschend deutlich mit nur 22,3 Prozent gegenüber dem ehemaligen Olympiasieger Ullrich mit 33,6 Prozent der Erststimmen.
Maaßen war in Südthüringen zum CDU-Kandidaten gewählt worden, nachdem der bisherige CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann im Zuge der sogenannten Maskenaffäre seine Ämter niederlegen musste. Gegen Hauptmann ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.
Thüringens SPD-Chef Georg Maier zeigte sich begeistert angesichts des Erfolgs von Ullrich. Mit Ullrich habe ein Kandidat das Direktmandat geholt, "der dort in der Region verwurzelt ist und der demokratisch verwurzelt ist". Maaßens Kandidatur für die CDU stand von Anfang an massiv in der Kritik – auch in Teilen der Union.
Philipp Amthor auf die Plätze verwiesen
In den Reihen der CDU zog im Rennen um die Gunst der Wähler auch die vermeintliche christdemokratische Nachwuchshoffnung Philipp Amthor den Kürzeren. Mit 20,7 Prozent der Erststimmen musste er diesmal gleich zwei Konkurrenten an sich vorbeiziehen lassen und verliert damit sein Direktmandat. Mit 24,8 Prozent gewann schließlich der SPD-Politiker Erik von Malottki das Direktmandat im Wahlkreis Mecklenburgische Seenplatte I. Damit verwies er Enrico Komning von der AfD mit 24,3 Prozent Stimmenanteil auf den zweiten Platz. Amthor zeigte sich zumindest über die Wahlniederlage des AfD-Kandidaten zufrieden: "Das wäre nicht nur ein schlechtes Aushängeschild für die Region, sondern auch ein echter Ballast für konkrete Sachpolitik".
"Das war ein absoluter Wahl-Krimi", erklärte von Malottki gegenüber der dpa. Die SPD habe diesen Wahlkreis zum ersten Mal gewonnen. Er sei "unfassbar stolz", ergänzte der Sozialdemokrat.
Klöckner verliert gegen SPD-Konkurrenten
Auch die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Julia Klöckner verpasste mit 29,1 Prozent der Stimmen ein erneutes Direktmandat im Wahlkreis Kreuznach. Ihr SPD-Konkurrent Joe Weingarten erzielte einen Stimmanteil von 33 Prozent. Klöckner hatte den Wahlkreis – zu dem ihr Heimatort Bad Kreuznach gehört – 2005 und 2009 gewonnen. Wie sich am Montagmorgen herausstellte, wird Klöckner dennoch über ihren Landeslistenplatz ins Berliner Parlament einziehen.
Annegret Kramp-Karrenbauer kann Hoffnungen nicht erfüllen
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) unterlag ebenfalls im politischen Wettbewerb um ein Direktmandat und scheiterte damit an der Mission, den Wahlkreis Saarbrücken für die Christdemokraten von der SPD zurückzuerobern. Kramp-Karrenbauer erhielt 25,1 Prozent und verlor damit deutlich gegen die Sozialdemokratin Josephine Ortleb mit 36,9 Prozent der Erststimmen. Doch auch Kramp-Karrenbauer zieht über ihren Listenplatz ins Parlament.
Merz holt Direktmandat im Hochsauerland
Dahingegen konnte Friedrich Merz mit 40,4 Prozent für die CDU das Direktmandat in seinem Heimat-Wahlkreis 147 (Hochsauerlandkreis) gewinnen. Sein Kontrahent und SPD-Kandidat Dirk Wiese erhielt 32,2 Prozent der Erststimmen. Trotz des Wahlsiegs blieb der frühere Unionsfraktionschef und ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende beim Vermögensverwalter BlackRock in Deutschland hinter den Erwartungen zurück.
"Ich habe den Wahlkreis klar gewonnen, auch wenn weder ich noch die CDU mit dem Ergebnis zufrieden sein können. Ein Ergebnis 45 plus wäre schön gewesen."
Dennoch gehe er nun "selbstbewusst nach Berlin". Wer jetzt bereits über Posten rede, habe jedoch "die Botschaft des Wahlabends nicht verstanden."
Lauterbach gewinnt erneut Direktmandat
Auch der SPD-Politiker und Gesundheitsökonom Karl Lauterbach freute sich über den Wiedereinzug ins Parlament. 45,6 Prozent der Erststimmen konnte der Mediziner – zum fünften Mal – nach den Bundestagswahlen im Wahlkreis Leverkusen–Köln IV auf sich vereinen. Lauterbach wertete dies als "ein Votum für unsere Corona-Politik". Seit geraumer Zeit werden Lauterbach Ambitionen auf das Amt des Gesundheitsministers nachgesagt. Er selbst bezeichnete das Ministeramt als "reizvoll".
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