Die Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt erwägt ein juristisches Vorgehen gegen die Ministerpräsidentenwahl vom Donnerstag, wie der Spiegel berichtet. Demnach soll mindestens ein CDU-Landtagsabgeordneter seinen Stimmzettel fotografiert haben. So habe Loyalität gegenüber Fraktionskollegen unter Beweis gestellt werden sollen.
In einer E-Mail der Grünen an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags Sachsen-Anhalt, aus der der Spiegel zitiert, heißt es:
"Ein solches Vorgehen dürfte gegen den Grundsatz der geheimen Wahl verstoßen."
Daher wollten die Grünen in Erfahrung bringen, ob die Wahl so überhaupt gültig ist und welche Rechtsmittel sie gegebenenfalls dagegen einlegen könnten. "Das Wahlgeheimnis ist eine zentrale Grundlage unserer Demokratie. Darüber dürfen sich auch Abgeordnete nicht hinwegsetzen", so der Grünen-Parlamentarier Olaf Meister.
Es sei "bitter, wenn in einer regierungstragenden Fraktion Zustände herrschen, die solche vermeintlichen Loyalitätsbeweise hervorbringen", kommentierte Meister laut Spiegel die Fotografie des Stimmzettels, von der die Grünen Kenntnis haben wollen. Berichten zufolge soll laut Angaben aus der CDU Holger Stahlknecht den Stimmzettel fotografiert haben. Der frühere Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt und Landesvorsitzender der CDU-Fraktion im Land ist Jurist, gelte als CDU-Wackelkandidat hieß es.
Reiner Haseloff (CDU) wurde im zweiten Wahlgang zum Regierungschef gewählt, er regiert mit SPD und FDP in einer sogenannten Deutschlandkoalition. Im ersten Wahlgang hatte er nur 48 Stimmen bekommen und damit die nötige Mehrheit von 49 Stimmen knapp verfehlt. Die Christdemokraten hatten die Landtagswahl am 6. Juni mit 37,1 Prozent klar gewonnen. Bis dahin regierten sie in einer Koalition mit SPD und Grünen.
Spekulationen über Abweichlerstimmen gingen in verschiedene Richtungen. In der CDU-Fraktion hatte es immer wieder Auseinandersetzungen über die angemessene Abgrenzung zur AfD gegeben. Seit Beginn des Jahres wird diese vom Verfassungsschutz nach jahrelanger Materialsammlung als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und nachrichtendienstlich beobachtet. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag, Oliver Kirchner, wird wie auch andere AfD-Mitglieder in Sachsen-Anhalt, dem offiziell aufgelösten "Flügel" um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zugerechnet, der im vergangenen Jahr vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft worden war. Haseloff entließ den damaligen Innenminister Holger Stahlknecht, nachdem der eine Zusammenarbeit mit der AfD ins Spiel gebracht hatte.
In CDU-Kreisen räumte man laut dpa ein, dass durchaus "ein paar" Kollegen aus der eigenen Fraktion gegen Haseloff gestimmt haben könnten – "aber nicht acht". Den Großteil der Abweichler vermuteten mehrere Konservative beim Koalitionspartner SPD. Die Sozialdemokraten könnten demnach darauf aus gewesen sein, die CDU-Galionsfigur Haseloff zehn Tage vor der Bundestagswahl zu beschädigen, was die SPD entschieden zurückgewiesen hat. SPD-Fraktionschefin Katja Pähle wollte nicht spekulieren, wer Haseloff die Stimme verweigerte – versicherte aber, dass die Sozialdemokraten es nicht gewesen seien. Auch FDP-Fraktionschefin Lydia Hüskens versicherte, dass ihre Fraktion für Haseloff gestimmt habe.
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