Auch nach mehreren Wochen hat die Bundesregierung eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Wolfang Kubicki (FDP) zum vormaligen Stand der afghanischen Ortskräfte in Deutschland nicht beantwortet. "Die Bundesregierung dokumentiert, dass das verfassungsrechtlich geschützte Auskunftsrecht kurz vor der Bundestagswahl für sie keine Rolle mehr spielt", sagte Kubicki gegenüber der Welt. Und machte deutlich:
"Was hat das Bundeskanzleramt zu verbergen, dass eine einfache Frage nach einer Zahl, die Angela Merkel in einer Pressekonferenz am 16. August genannt hatte, nicht beantwortet wird?"
1.900, 2.000 oder 2.400 Ortskräfte?
Auf einer Pressekonferenz am 16. August hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angegeben, dass 1.900 ehemalige afghanische Ortskräfte aus Afghanistan evakuiert worden seien, entweder nach Deutschland oder in sichere Drittstaaten.
Am 19. August sandte Bundestagsvizepräsident Kubicki eine schriftliche Anfrage mit der Arbeitsnummer 8/231 an die Bundesregierung. In seiner Anfrage wollte Kubicki erfahren, wann genau die Ortskräfte, die Merkel erwähnte, aus Afghanistan evakuiert wurden und welchen Aufenthaltsstatus sie in Deutschland haben.
Auf die Anfrage des Abgeordneten hätte die Bundesregierung innerhalb einer Woche antworten müssen. Kubicki erhielt seine Antwort aber erst nach zwei Wochen, am 2. September, in der es hieß:
"Eine Beantwortung kann derzeit noch nicht erfolgen, da die Abstimmungen hierzu innerhalb der Bundesregierung noch andauern."
Wann die "Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung" abgeschlossen sein würden, teilte man Kubicki nicht mit.
Mehrere Zulieferer für offizielle Zahlen
Zuletzt trat Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag mit eigenen Zahlen an die Öffentlichkeit. Ihm zufolge hätten sich 2.000 Ortskräfte und ihre Familien vor der Machtübernahme der Taliban Mitte August retten können. Mehr als 2.400 Ortskräften sei bis zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ein Visum ausgestellt worden. Das Innenministerium teilte mit, dass aktuell 248 Ortskräfte und 916 Angehörige nach Deutschland eingereist seien.
Eine Erklärung dafür, dass die Bundesregierung keine einheitliche Zahl über den Stand der Ortskräfte nennen kann, könnte sein, dass sie es schlicht nicht weiß. Die Evakuierungsmission der Bundeswehr im August wurde kurzfristig begonnen und unter Zeitdruck durchgeführt. Zudem sind neben dem Verteidigungsministerium ebenso das Außen- und das Innenministerium als Zulieferer von Zahlen beteiligt.
Kubicki hält noch eine zweite Erklärung für plausibel:
"Man könnte annehmen, dass die Bundeskanzlerin die Unwahrheit gesagt hat."
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