Drostens Prognose für den Herbst: "Mit Sicherheit" wieder Kontaktbeschränkungen

Der Virologe Christian Drosten warnte davor, dass die Impfquote in Deutschland zu niedrig sei, um "gelassen in den Herbst" zu gehen. Daher glaubt er, dass die Politik bald konsequent Entscheidungen treffen müsse: Es werde "mit Sicherheit" wieder Kontaktbeschränkungen geben.

Im Podcast "Das Coronavirus-Update" von NDR Info erklärte der Virologe Christian Drosten, er bezweifle, dass man in Deutschland allein durch Impfangebote eine hohe Impfquote erreiche. Grund dafür sei eine "gewisse Gleichgültigkeit" in der Bevölkerung, daher werde es im Herbst "mit Sicherheit" wieder Kontaktbeschränkungen geben. Gelassen in den Herbst zu gehen, ist laut Drosten eine "gewagte Vorstellung": Für Personen über 60 Jahren sei es ein "riesiges Risiko", ungeimpft in den Herbst zu gehen.

Er rechne auch damit, dass die Entwicklung Intensivstationen und Notaufnahmen belasten werden. Er glaube aber nicht, dass man in Deutschland über Ansprachen an die Bevölkerung bei der Impfquote weiterkomme:

"Und darum glaube ich, dass die Politik eine schwere Aufgabe vor sich hat und konsequent auch Entscheidungen treffen muss bald", sagte Drosten.

Bisher sind in Deutschland 61 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Corona geimpft. Laut dem letzten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) sind 83 Prozent der Personen über 60 Jahren vollständig geimpft, bei Erwachsenen zwischen 18 und 60 Jahren sind 65 Prozent vollständig geimpft, bei Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren liegt die Quote bei 21 Prozent. Das RKI geht davon aus, dass mindestens 85 Prozent der Zwölf- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren vollständig geimpft sein müssen, um eine "vierte Welle" im Winter mit vollen Intensivstationen zu vermeiden.

Drosten selbst hatte auf eine Impfquote von 80 Prozent gehofft, leider habe man diese aber nicht erzielt. Theoretisch könne man sich aus der Pandemie quasi "herausimpfen", so Drosten. Man könne daher versuchen, die "Dringlichkeit" der Impfungen in Deutschland zu vermitteln. Es gebe eine "grundsätzliche Offenheit" und nur einige wenige ungeimpfte Menschen, die "vollkommen verrückte Geschichten glauben". Manchmal sei es eher eine Art Gleichgültigkeit, die eine Entscheidung für die Impfung verhindere. Seiner Auffassung zufolge ist dies ein Unterschied zu Ländern wie Portugal oder Spanien.

"Die haben eine schreckliche gesamtgesellschaftliche Erfahrung hinter sich. Viele Tote und einen richtigen Lockdown, wo man nur zum Einkaufen mit Begründung nach draußen darf, und auf der Straße patrouilliert das Militär."

Laut Drosten war dies ein "richtiger Lockdown":

"Das haben wir in Deutschland nicht erlebt. Wir können, glaube ich, diese Erfahrung in Deutschland nicht im Nachhinein noch simulieren."

Auch im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte Drosten jüngst, dass die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zu leichtfertig als Lockdown bezeichnet werden, was sie nach Drostens Auffassung jedoch nicht sind:

"Da schwingt schon deutlich mit, dass durchaus davon ausgegangen wird, dass man nicht ohne weitere Maßnahmen, die in Deutschland ja relativ schnell in der Öffentlichkeit leichtfertig als Lockdown bezeichnet werden, was sie nie gewesen sind in diesem Sinne, wenn man das in anderen Ländern anschaut …"

Auf die durch die Maßnahmen verursachten Kollateralschäden wie überlaufende Kinder- und Jugendpsychiatrien ging der Virologe in diesem Kontext jedoch nicht ein.

Optimistische stimme ihn jedoch die hohe Impfbereitschaft bei Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren. Dies sei positiv zu sehen, da man hier eine "junge, auffassungsfähige Bevölkerungsschicht" habe. Es sei auch möglich, den Schulbetrieb im Winter aufrechtzuerhalten.

Den Kliniken prognostizierte Drosten, dass auf diesen ein hoher Druck lasten werde. Auf den Normalstationen würden COVID-19-Fälle dann mit Kranken, die andere Nöte hätten, um Behandlungsressourcen konkurrieren. Auf den Intensivstationen sei wiederum die geringe Impfquote bei Älteren ein Problem. Es werde auch auf den Intensivstationen bei steigenden Inzidenzen zunehmend jüngere COVID-19-Patienten geben. Die Mehrzahl der Corona-Fälle in den Krankenhäusern sei ungeimpft, so Drosten. Auch die Erfahrungen mit Großbritannien habe ihm zu denken gegeben, da es dort mehr Klinikeinweisungen und Todesfälle als erwartet gegeben habe.

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(rt/dpa)