Bislang orientiert sich die Bundesregierung in der COVID-19-Pandemie seit Langem an den Inzidenzzahlen positiv getesteter Personen pro 100.000 Einwohner und Woche. Mittels dieses Wertes entschieden die maßgeblichen Politiker, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um bereits im Vorfeld eine drohende Überbelegung in Krankenhäusern oder Überlastung von Intensivstationen zu vermeiden. Schon frühzeitig meldeten sich Experten und kritisierten diese Herangehensweise, da der Inzidenzwert wenig über die drohende Belastung des Krankenhaussystems verrate.
Nun wird laut dem Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn (CDU) diese Messgröße eines Inzidenzwertes von 50 aus dem Infektionsschutzgesetz wieder gestrichen und kurzerhand durch die Anzahl der Hospitalisierung ersetzt werden, um dem Pandemiegeschehen sinnvoller begegnen zu können. Dies habe das Corona-Kabinett beschlossen, nach Informationen die der Bild vorliegen sollen.
"Die 50er-Inzidenz im Gesetz hat ausgedient."
Im Morgenmagazin des ZDF äußerte sich der ganz Deutschland durch die Corona-Krise manövrierende Gesundheitsminister dahingehend, dass die bisher genutzte Kenngröße der Anzahl von Inzidenzfällen pro 100.000 Einwohner für eine geimpfte Bevölkerung nicht mehr gelten könne. Einige Bundesländer sind schon vorher von der Fokussierung auf die Inzidenz abgerückt. Und auch das Robert Koch-Institut sprach laut Medienberichten einst davon, dass mehrere Indikatoren zur Bewertung der tatsächlichen Situation nötig seien.
So soll aus einem internen Papier Anfang Juli 2021 hervorgegangen sein, dass mit der Zunahme der Grundimmunität davon ausgegangen werden könne, dass eine Abnahme der schweren Krankheitsverläufe einsetze. Deshalb hatte man darin einen stärkeren Fokus auf die Folgen der Infektionen bezüglich schwerer Erkrankungen mit Hospitalisierung sowie Todesfälle und langfristigen Folgen gefordert. Ende Juli beharrte das RKI dann aber wieder auf den 7-Tage-Inzidenzwerten und bezeichnete sie als die frühesten aller Indikatoren, mit denen man die wirkliche Lage bewerten und frühzeitig auch die richtigen Maßnahmen ergreifen könne.
Die Entscheidungen einiger Bundesländer haben nun wohl dennoch dafür gesorgt, dass die Gedanken des Gesundheitsministers jüngst in eine andere Richtung tendieren:
"Deswegen ist mein Vorschlag, jetzt auch diesen Maßstab, diese 50er Inzidenz, aus dem Gesetz zügig zu streichen."
Nachdem also in den zurückliegenden 16 Monaten verschieden Kriterien zur Bewertung der Pandemie, zuletzt dieser Faktor ausschlaggebend für die Bundesregierung waren, um das private, gesellschaftliche und Berufsleben stark zu beeinflussen, könnte nun sogar noch vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 damit Schluss sein:
"Der neue Parameter ist dann die Hospitalisierung."
Noch am 9. August konnte über Nachrichtenagenturen in Erfahrung gebracht werden, dass sich das Bundesarbeitsministerium weiterhin für eine Beschränkung in der Arbeitswelt "starkmache". Dieses Bundeministerium habe erwogen, ab einem Inzidenzwert von 50 eine Homeoffice-Pflicht für Betriebe einzuführen. Am 25. August wird die Bundesregierung wieder einmal über die Verlängerung der sonst auslaufenden Corona-Notlage um weitere drei Monate entscheiden. Grund hierfür wäre durch den Anstieg der COVID-19-Fälle gegeben, die durch unterschiedliche Indikatoren gemessen werden.
Dabei beziehe man sich auf "die Neuinfektionen, den R-Wert, die Quote der positiven PCR-Tests, die 7-Tage-Inzidenz, die Hospitalisierungen und die notwendigen Behandlungen, von denen 47 Prozent beatmet werden müssen." In Kritik geraten sind in den letzten Monaten aber besonders die Corona-Schnelltests, deren Ergebnisse beispielsweise nach Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage in einem hohen Maße falsch seien. So wären von gut 750.000 Antigen-Tests in der zweiten Juniwoche 218 positive Ergebnisse in der Hansestadt gemeldet worden, von denen sich bei genauerer Nachtestung letztendlich nur 44 bestätigen ließen.
Eine Fokussierung auf die Anzahl der tatsächlich in Krankenhäusern behandelten Fälle sollte somit im Idealfall tatsächlich ein klareres Bild der Realität sichtbar werden, wenn nicht wieder an den Zahlen der Belegung der Intensivbetten herumgedoktert wird. In der Vergangenheit gab es schließlich vermehrt Hinweise, dass Klinken aufgrund verlockender Finanzhilfen des Staates mehr Intensivbetten für COVID-19-Patienten installierten, als es tatsächlich Gründe und Bedarf dafür gab.
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