Der dem Deutschen Ethikrat angehörende Theologe und Sozialethiker Prof. Dr. theol. Andreas Lob-Hüdepohl hat sich in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk zur Frage unterschiedlicher Rechte von Geimpften und Ungeimpften geäußert. Darin sagte er:
"Jetzt können sich alle impfen lassen und diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, müssen eben die Folgen ihrer freien Entscheidung akzeptieren."
Diejenigen, die sich weigerten, würden sich "durch ihre Weigerung selber von bestimmten gesellschaftlichen Aktivitäten ausschließen". Dabei geht der Sozialethiker offenbar nicht nur von einer außerordentlich hohen Gefährdung durch SARS-CoV-2 für die Allgemeinheit aus, sondern auch davon, dass sich Herdenimmunität allein durch Impfung herstellen lasse. Das "Prinzip Teflon", wo der Gewinn kleben bleibe, aber die Nachteile abperlten, gehe nicht, so der Angehörige des Ethikrats weiter. Dies müssten Jene berücksichtigen, die sich nicht impfen lassen wollen. In einer Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften sieht Lob-Hüdepol dann auch keinerlei Probleme. Der Theologe führt aus:
"Was ist daran verwerflich? Ich bin auch vom Automobil-Kraftverkehr ausgeschlossen, wenn ich keinen Führerschein mache. Ich muss in vielen Bereichen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, dass ich an diesem Bereich auch teilhaben kann. Warum nicht auch in diesem Bereich?"
Dabei würden "keine Grundrechte berührt". Auch gebe es "nicht das Menschenrecht auf unbedingten Restaurantbesuch in jedem Restaurant". Lob-Hüdepohl räumt zwar ein, dass man im Auge behalten müsse, das für manche Menschen die Argumente gegen eine Impfung überwiegen. Die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft durch die Vorenthaltung von Rechten für diese Gruppe bestehe jedoch nicht, denn:
"Die Menschen fügen sich selbst einem Lager zu, indem sie sich nicht impfen lassen und sie können sich ja impfen lassen. (...) Aber, wenn man die Allgemeinheit schützt, indem beispielsweise nur Geimpfte an Sportveranstaltungen teilnehmen dürfen, dann ist das keine Spaltung der Gesellschaft. Sie nehmen sich ja selbst aus dieser Teilhabemöglichkeit heraus. Das müssen sie auch selber verantworten. Das ist keine Spaltung der Gesellschaft."
Eine Impfpflicht benötige im übrigen eine gesetzliche Grundlage. Sie sei jedoch als "letztes Mittel erforderlich", wenn das Erreichen der Herdenimmunität dies notwendig mache, so Lob-Hüdepohl weiter. Diese sei im Falle von SARS-CoV-2 bei einer "Durchimpfungsrate" von 80 bis 85 Prozent gegeben, was sich über die "gewöhnliche Impfbereitschaft herstellen" lasse. Der Sozialethiker fügte jedoch hinzu:
"Wenn allerdings neue Corona-Varianten 90 bis 95 Prozent nötig machen sollten, dann werden wir vermutlich um eine gesetzlich verankerte Impfpflicht nicht herumkommen."
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