Obwohl die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) noch keinen Corona-Impfstoff für Kinder unter 12 Jahren zugelassen hat und obwohl die Ständige Impfkommission (STIKO) selbst für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren bislang keine generelle Impf-Empfehlung ausgesprochen hat, existiert in Deutschland ein Ärzte-Netzwerk, das auch kleine Kinder gegen das Coronavirus impft. Das berichtet der Tagesspiegel und zitiert dabei einen Arzt aus Brandenburg, der Teil dieses Netzwerkes ist.
Der Kinderarzt, der aus Sorge vor Morddrohungen anonym bleiben möchte, berichtet, in seine Praxis kämen Familien aus ganz Deutschland angereist. Er impfe auch jüngere Kinder. Dabei verwende er die Vakzine von BioNTech/Pfizer und Moderna. Allerdings passe er die Impfdosen auf das Alter der Kinder an. Der Arzt argumentiert:
"Ich habe doch eine Verantwortung. Für meine Patienten, für die Gesellschaft. Ich finde: Schweren Erkrankungen vorzubeugen, wenn er es kann, das gehört sich für einen Arzt einfach."
Der Kinderarzt berichtet, sein erster Impfpatient sei ein sechsjähriger Junge mit Down-Syndrom und Herzfehler gewesen. Weil seine kleine Schwester den Kindergarten besucht, seien die Eltern in großer Sorge gewesen. Nach langer Diskussion hätten Eltern und Arzt sich entschieden:
"Es wäre verantwortungslos, so einem Kind die Impfung zu verweigern."
Auf die STIKO-Empfehlung gibt der Tagesspiegel-Informant nicht viel. Er ist sich sicher: Die STIKO könne nur "normales Leben, Pandemie kann sie nicht". Stattdessen existiere gerade eine "sehr dynamische Situation" – mit Umständen, die nicht mehr den Regelungen entsprechen, unter denen die Impfstoffe an Kindern und Jugendlichen getestet wurden. Damals war die Alpha-Variante vorherrschend, nun sei es die Delta-Variante. Deswegen fühlt sich der Arzt auch nicht an Empfehlungen der STIKO gebunden.
Die STIKO argumentiert bislang, dass bei den 12- bis 17-Jährigen die potenziellen Nebenwirkungen der Impfungen die Gefahren einer Corona-Infektion in dieser Altersklasse überwiegen. Gestern erst äußerte der STIKO-Vorsitzende gegenüber der Süddeutschen Zeitung, es gebe "derzeit keine Evidenz", dass "die Delta-Variante Kinder kränker machen würde als die bisherigen Virusvarianten". Anders beurteilt das jedoch der anonyme Kinderarzt im Tagesspiegel:
"Kinder aus Sorge um ihre Sicherheit diesem Virus einfach auszusetzen, das sind für mich einfach die falschen Prioritäten."
Der Brandenburger Kinderarzt lässt durchblicken, dass er mit seiner Haltung nicht alleine dastehe. Ihm zufolge gibt es eine Art Netzwerk von Ärzten, das sich vorgenommen hat, auch Kleinkinder gegen das Coronavirus zu impfen – aus der Überzeugung, das Richtige zu tun.
Damit bewegen sich die Ärzte zwar im legalen Bereich, denn prinzipiell dürfen sie nach eigenem Ermessen Arzneimittel auch jenseits des zugelassenen Bereichs anwenden. Allerdings tragen sie dann das alleinige Haftungsrisiko für eventuell auftretende Impfschäden. Der Brandenburger Kinderarzt betont, dieses Risiko nähmen er und seine Kollegen bewusst in Kauf.
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