Angesichts des politischen Drucks auf die Ständige Impfkommission (STIKO) hat der Verband der Amtsärzte angeregt, die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Einrichtung organisatorisch abzusichern. Der Ärzte Zeitung sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes Ute Teichert:
"Man müsste überlegen, wie die STIKO künftig aufgehängt ist, um ihre Neutralität und Unabhängigkeit zu sichern."
Derzeit ist die STIKO am Robert Koch-Institut angesiedelt, einer Bundesbehörde. Damit gerate die Kommission aber "in den Bereich Politik und Politikberatung", erklärte Teichert. Auch brauche die Kommission hauptamtliche Strukturen, die die professionelle Arbeit der ehrenamtlich tätigen Kommissionsmitglieder unterstütze.
Seit Wochen werden die Wissenschaftler der Impfkommission von Politikern gedrängt, eine ausdrückliche Empfehlung zur Corona-Impfung älterer Kinder und Jugendlicher auszusprechen. Bisher tut sie das nur für vorerkrankte Kinder und Jugendliche. Allerdings hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA mehrere Impfstoffe für Kinder ab zwölf Jahren grundsätzlich zugelassen, Eltern und Kinder können sich daher nach Beratung mit einem Arzt dennoch für eine Impfung entscheiden – unabhängig vom Votum der STIKO.
Zuletzt hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) auf die EMA verwiesen und gesagt, er wolle die STIKO "an ihre Verantwortung erinnern". Solche Einmischungen in die Arbeit der Impfkommission findet Teichert "sehr schwierig, sie sind aber systembedingt".
Der STIKO-Vorsitzende und Virologe Thomas Mertens reagierte mit Unverständnis auf Schäubles Äußerungen. Er sagte der Schwäbischen Zeitung:
"Die EMA bewertet, ob ein Impfstoff grundsätzlich sicher und wirksam ist. Individuelle Impfempfehlungen kann sie aber schon wegen der unterschiedlichen Regeln und epidemiologischen Voraussetzungen in den Mitgliedsstaaten nicht aussprechen."
Die STIKO gehe "wesentlich tiefer in der Auswertung der verfügbaren Daten". Daraus resultieren ihre zum Teil abweichenden Empfehlungen wie etwa im Fall der Kinder und Jugendlichen. Mertens betonte:
"Zum einen zeigen unsere Erhebungen und Modelle deutlich, dass Jugendliche wesentlich seltener schwer erkranken als Erwachsene und zum anderen hat die Impfung dieser Altersgruppe relativ geringe Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Pandemie."
Die STIKO werde an ihrem Vorgehen festhalten. Mertens kündigte an, die Kommission werde sich weiter die Zeit nehmen, "die wir brauchen, um alle Daten auszuwerten, wie es unserem Auftrag entspricht".
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(rt/dpa)