Die Bundesagentur für Arbeit hatte in der COVID-19-Pandemie offenbar mit 10.000 Selbstständigen gerechnet, die Arbeitslosengeld II beantragen würden. Von April 2020 bis Juni 2021 haben jedoch 132.000 Selbstständige die auch als Hartz IV bekannte Leistung beantragt, wie das Magazin Business Insider berichtete.
Die Dunkelziffer unter den Gastronomen, Künstlerinnen oder Einzelhändlern könnte höher liegen. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund einschätzt, erfüllen nicht alle Selbstständigen, deren Umsatz wegen der Restriktionen einbrach, die Voraussetzungen für den Zugang zu den staatlichen Leistungen. Das betrifft besonders Selbstständige, die in ihrer Erwerbstätigkeit ohne hohe Fix- oder Betriebskosten auskommen.
Tina Hofmann, Referentin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik beim Paritätischen Gesamtverband, sieht in der hohen Zahl der Hartz-IV-Anträge unter Selbstständigen ein Alarmsignal. "Nach den Statistiken zu urteilen, befinden sich aufgrund der Pandemie nicht nur sehr viel mehr Selbstständige und Solo-Selbstständige im Hartz-IV-System, sondern viele auch in einer beruflichen 'Warteschleife' – und das womöglich über eine lange Zeit", sagt Hofmann.
In vielen Regionen pendeln sich die Zahlen der Betroffenen zwar wieder auf das Niveau der Zeit vor der Pandemie ein. Doch bleibe die Hilfe von Seiten der Jobcenter ungenügend. "Es braucht Unterstützungsangebote, die sich auf eine Fortsetzung der unterbrochenen Selbstständigkeit beziehen", so Hofmann.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) unterstützt die Kritik von Hofmann. Mit fortschreitender Pandemie verringert sich danach die absolute Zahl der Selbstständigen. Die Zahl derjenigen, die die Erwerbstätigkeit nicht fortsetzen können, steigt. Während im Jahr 2018 nur neun Prozent in die Arbeitslosigkeit wechseln mussten, waren es 2020 doppelt so viele.
Der Forscher Alexander Kritikos vom DIW stellte fest, dass nur wenige Solo-Selbstständige Corona-Hilfen in Anspruch nahmen. Denn diese waren zunächst nur für die Übernahme von Fixkosten. Das hätte sich erst mit der Neustart-Hilfe geändert, die eine Einmalzahlung bis 7.500 Euro vorsieht. "Ich fürchte, diese Hilfe kam zu spät", sagte Kritikos gegenüber Business Insider.
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