Nach der Errichtung dreier Tanks ohne Genehmigung auf der Baustelle des US-Elektroautobauers Tesla in Grünheide bei Berlin haben die Aufsichtsbehörden bei einer Großfahndung des Brandenburger Landesumweltamtes (LfU) weitere Anlagen vorgefunden, die der US-Autobauer nicht gemeldet hat.
Diese Aggregate seien unter anderem zur Strom- und Gasversorgung sowie zur Drucklufterzeugung während der bereits zugelassenen Funktionstest der späteren Produktionsanlagen errichtet worden, teilte das Umweltministerium am Freitag auf Anfrage mit.
Bisher seien auch diese Anlagen nicht ausdrücklich durch eine der vorzeitigen Genehmigungen vom Land Brandenburg abgedeckt gewesen, erklärte das Ministerium. Das Landesumweltamt habe die Anlagen deshalb geprüft. Doch dürften sie dem Amt zufolge im Rahmen der Funktionstests betrieben werden. Nach Abschluss der Tests sollten sie wieder entfernt werden. Laut rbb wurde kein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Das Landesumweltamt hatte Anfang Juli nach einem Schwarzbauverdacht der Grünen Liga und des Naturschutzbundes festgestellt, dass Tesla mehrere Tanks für unterschiedliche Flüssigkeiten gebaut hatte, obwohl keine Genehmigung vorlag. Die Umweltschützer gingen von einem Kältemitteltank für die Chemikalie Tetrafluorpropen aus, das im Zusammenhang mit der durch ein Gutachten bestätigten Störfallproblematik steht.
Laut der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) Brandenburg warnt das Gutachten "vor einem Horrorszenario, das vielen Tausend Menschen das Leben kosten könnte", indem sich in den Tesla-Hallen Gaswolken bilden, die explodieren und Brände auslösen sowie giftige Reizgase bilden können, die den Atemwegen von Mitarbeitern und Anwohnern schaden könnten. Grüne Liga und NABU wollen einen Stopp der Tests durchsetzen, die das Landesumweltamt mit der mittlerweile 15. Voraberlaubnis für den Bau der Gigafactory zugelassen hatte.
Gleichzeitig ist das Hauptgenehmigungsverfahren noch offen. Tesla hat für den Bau der Fabrik vom Land Brandenburg bisher noch keine abschließende umweltrechtliche Genehmigung bekommen, sondern baut über mehrere vorzeitige Zulassungen in einzelnen Schritten. Nach der ambitionierten Planung des US-Konzerns sollte die Produktion am 1. Juli starten. Weil sich die Genehmigung – auch durch Teslas eigenes Verschulden – verzögert, plant das US-Unternehmen den Start für Ende dieses Jahres.
Nachdem der Antrag auf Genehmigung um eine Batteriefabrik erweitert worden war, hat das LfU entschieden, dass aufgrund des Umfangs der Änderungen eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich sei. Die Antragsunterlagen lagen bis zum 19. Juli öffentlich aus und stießen laut rbb auf hohes öffentliches Interesse. Schriftliche Einwände können beim Landesumweltamt noch bis zum 19. August eingereicht werden.
Dass dem Projekt jetzt aber noch etwas im Weg stehen könnte, schmettert neben einigen lokalen Politikern auch die New York Times, die sich anderer Stelle gern mal als gedruckter Bürgerrechtsverfechter geriert, als "unrealistisch" ab. Demnach habe die Sieben-Milliarden-Dollar-Fabrik starke Unterstützung von der Politik und werde lediglich durch rechtliche Herausforderungen von Umweltgruppen aufgehalten.
In der Tat, so empört sich die Bürgerinitiative Grünheide, griff der brandenburgische Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie Jörg Steinbach (SPD) dem Abschluss des Verfahrens jüngst erneut vor, indem er öffentlich behauptete, dass "keine Hindernisse zur Genehmigung" bestünden. Die "Bürgerbeteiligung" verkomme so zur Farce, kritisiert die Bürgerinitiative auf ihrer Webseite.
Laut der New York Times hat Steinbach nicht nur selbst Tesla zum Bau der Fabrik in Grünheide überredet, sondern seine politische Zukunft an den Erfolg des Projekts geknüpft, weshalb er sich wohl oder übel verpflichtet sieht, als Teslas Sprachrohr zu fungieren, weil das Unternehmen offensichtlich gleichgültig gegenüber der öffentlichen Meinung vor Ort sei.
Doch auch Steinbach sieht darin offenbar kein wirkliches Hindernis: "Der Lärm, den sie machen, steht in keinem Verhältnis zu ihrer Zahl", zitiert das Blatt ihn bezüglich des Widerstandes von Bürgern und Umweltschützern. Ähnlich tue demnach der Bürgermeister von Grünheide Arne Christiani die Gegner des Tesla-Standorts als kleine, aber lautstarke Minderheit ab, während er trotz der ausbleibenden Zustimmung und Genehmigung bereits noch größer träumt:
"Es gibt Möglichkeiten, über die wir vor zwei Jahren nie gesprochen hätten", so Christiani über den künftigen Ausbau des Tesla-Werks.
Auch die New York Times bezeichnet die dem Projekt weniger wohlgesonnenen Gruppen im Artikel als "klein", stellt die Vertreter als relative Exzentriker dar und karikiert deren Einwände mit einem vermeintlichen Fokus auf Echsen und Schlangen, während die Fabrik so gut wie fertig sei.
Doch ist ebendies seit Langem der Punkt, der viele der Gegner des Vorgehens eint: Bereits während die vermeintliche Bürgerbeteiligung in Form von Anhörungen, die viele Bürger als Kräfte zehrende Alibiveranstaltung ansahen, und die endgültige Entscheidung zur Baugenehmigung des zuständigen Landesamts für Umwelt noch ausstanden, wurden im vergangenen Jahr mit Rodungs- und Bauarbeiten für die Giga-Fabrik rapide Fakten geschaffen.
Geschwärzte Unterlagen
Dabei umfasst die Liste der Einwände durchaus mehr als Echsen und Schlangen, selbst seitens der Naturschützer. Während sowohl Bürger als auch Umweltschützer seit Langem auf das Vorgreifen sowohl von Tesla als auch lokalen Behörden in dem Genehmigungsprozess verweisen, wodurch ohne Planungssicherheit am Werk und der dazugehörigen öffentlich gestifteten Infrastruktur weitergebaut wird, sieht der Rechtsanwalt des NABU die jüngste Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gar als völkerrechtswidrig an.
Mitte Juli hatte das OVG Berlin-Brandenburg den Eilantrag von NABU und Grüner Liga gegen die 15. vorzeitige Zulassung zurückgewiesen und sich auf unzureichend detaillierte Angaben darüber berufen, welche Umweltauswirkungen die Umweltschützer bei der Zulassung befürchten. Gleichzeitig habe das Gericht aber davon abgesehen, dem Antrag auf ungeschwärzte Unterlagen nachzukommen, da es "deren Inhalt nicht als für die zu treffende Entscheidung erheblich" ansieht.
Dabei sollten laut Umweltschützern aus den geschwärzten Stellen ebendiese erforderlichen Informationen hervorgehen, da erst mit Klarheit über die vom Unternehmen eingesetzten Stoffe die genauen Auswirkungen auf das Wasserschutzgebiet, auf dem Tesla baut, im Detail zu beurteilen sind.
Der NABU betont, dass Akzeptanz und Rechtssicherheit für Zukunftstechnologien von besonderer Bedeutung sind und dass für Tesla dieselben rechtlichen Standards gelten müssten wie für alle anderen. Verschiedene Naturschützer unterstreichen außerdem eine Reihe weiterer Probleme, die bisher ungelöst blieben, während das Werk immer weitergebaut wird.
So entstehe es nicht, wie oft in Medienberichten angegeben, in schnell ersetzbaren Kiefernplantagen, sondern in direkter Nachbarschaft zum nahen artenreichen Schutzgebiet Löcknitztal, einem der deutschen FFH-Gebiete, für deren unzureichenden Schutz Berlin des Öfteren am Pranger stand und womöglich hohe Kosten aufbringen muss.
Laut Thomas Löb von der ÖDP hat die geplante Fabrik gigantische Auswirkungen auf die Region – in der die Natur fast vier Jahrzehnte vergleichsweise ungestört war, sodass sich mehr als zehn bedrohte Arten ansiedeln konnten – sowie auf alle Schutzgüter.
Die Gigafactory entsteht in einem ausgewiesenen Trinkwasserschutzgebiet, in dem laut NABU bereits mehr als 1.200 Spezialbetonpfähle in den Boden getrieben wurden und der immense Versiegelungsgrad und eventuelle Stoffeinträge das Grundwasser massiv beeinträchtigen könnten. Zudem sei bisher ungeregelt, wie Beeinträchtigungen des Wasserschutzgebietes durch die massive Batteriefabrik und Lackiererei vermieden werden könnten.
In den Einspruchsunterlagen verweist der NABU unter anderem auf das Eiltempo, das die erforderlichen Prüfungen erschwert, und auch auf Widersprüche, beispielsweise in Bezug auf technische Angaben zu oben erwähnten Störfallszenarien, in denen der Fall einer möglichen Freisetzung des Kältemittels Tetrafluorpropen von Tesla unter Annahme von Voraussetzungen, die selbst die vom Unternehmen beauftragten Gutachter als unplausibel eingestuft hatten, scheinbar verharmlost wird.
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