"Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert worden", sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Und er ergänzte:
"Es bietet sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das der Bundesinnenminister Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt."
Seit Jahren lägen die Reformvorschläge der FDP auf dem Tisch, doch passiert sei nichts. Das gefährde Menschenleben. "Ich fordere, die Heimat-Abteilung im Innenministerium unverzüglich aufzulösen und die freiwerdenden Stellen neben der Digitalisierung für den Bevölkerungsschutz zu verwenden", sagte Theurer. Als erstes sollte die Broschüre "Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen" des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe an alle Haushalte versandt werden. "Das Innenministerium muss dafür die Mittel aufbringen."
Auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach forderte, Konsequenzen aus den Erfahrungen bei der Flutkatastrophe zu ziehen. "Beim Katastrophenschutz sind wir genauso schlecht vorbereitet wie beim Pandemie-Schutz", sagte Lauterbach der Düsseldorfer Rheinischen Post am Montag. Und weiter:
"Wir müssen uns jetzt darauf einstellen und vorbereiten, dass es in Zukunft mehr Naturkatastrophen geben wird und auch regelmäßig Pandemien. Die Infrastruktur dafür muss geschaffen und ausgebaut werden, der Katastrophenschutz hat hier eine zentrale Bedeutung."
Auch Die Linke schießt sich auf Seehofer ein und fordert seinen Rücktritt. Entweder hätte die Regierung die Warnungen nicht ernst genommen oder sie wären nicht mit dem nötigen Nachdruck an die zuständigen Behörden weitergeleitet worden, erklärt Linkspartei-Ko-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Sie ergänzte:
"Beides wäre unverzeihlich und ein gravierender politischer Fehler. Und der wiegt angesichts der Ausmaße der Katastrophe so schwer, dass ein Rücktritt des zuständigen Ministers mehr als angemessen ist."
Der Linken-Politiker Andrej Hunko machte sich in Stolberg bei Aachen selbst ein Bild von der Lage vor Ort. In einem längeren Facebook-Beitrag schreibt Hunko, dass es selbstverständlich jetzt wichtig sei, "Empathie mit den Betroffenen zu zeigen". Es sei unabdingbar, umfangreiche Hilfspakete – kurz- und langfristiger Natur – aufzulegen, so der Politiker weiter. Symbolisch hätten die Abgeordneten der Linken im Bundestag je 1.000 Euro gespendet. Auch sei es nun selbstverständlich wichtig, "die notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel endlich ernsthaft anzupacken, ebenso wie etwa die Renaturierung von begradigten Flüssen und den Stopp der Flächenversiegelung". Doch Hunko stieß bei seiner Besichtigung auch auf Kritik. Der Politiker schreibt:
"Worauf ich aber heute vor allem von den Betroffenen angesprochen wurde: Warum es in den betroffenen Regionen so gut wie kein Frühwarnsystem gegeben hat und warum die randvollen Talsperren nicht vor dem lange angekündigten Starkregen ausreichend Wasser abließen. Die britische Times erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden, das europäische Hochwasser-Warnsystem EFAS hätte schon erstmals 9 Tage vorher gewarnt, das Rheinland stünde vor einer "extremen" Überflutung. Die Autorin spricht von einem 'monumentalen Versagen' der deutschen Behörden."
Unterdessen forderte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eine Aufklärung darüber, ob der Katastrophenschutz ausreichend funktioniert habe: "Es muss, sobald wir die unmittelbare Hilfe geleistet haben, auch geschaut werden: Gibt es Dinge, die nicht gut gelaufen sind, gibt es Dinge, die schief gelaufen sind? Und dann muss korrigiert werden", so Altmaier am Sonntag im Bild live -Politiktalk Die richtigen Fragen.
Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Verbesserungen für die Zukunft. Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Armin Schuster will die Kritik am Katastrophenschutz nicht gelten lassen. "Unsere Warninfrastruktur hat geklappt im Bund", erklärte Schuster am Sonntagabend im heute journal des ZDF.
Laut Schuster habe der Deutsche Wetterdienst "relativ gut gewarnt". Doch das Problem sei, dass man oft eine halbe Stunde vorher noch nicht sagen könne, welchen Ort es mit welcher Regenmenge treffen werde. Über Warn-Apps seien 150 Warnmeldungen verschickt worden. Wo die Menschen in den Hochwassergebieten durch Sirenen gewarnt worden seien und wo nicht, könne er im Moment allerdings nicht sagen.
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