Nach den verheerenden Unwettern im Westen Deutschlands hat sich die Opferzahl in den Katastrophengebieten mittlerweile auf 156 erhöht, Hunderte sind noch vermisst. Allein der Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz meldete am Sonntagmorgen 110 Tote und 670 Verletzte. Auch im benachbarten Nordrhein-Westfalen kamen Dutzende Menschen ums Leben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht derzeit die Hochwassergebiete in der Eifel. Während im Westen Deutschlands kein weiterer großflächiger Regen erwartet wird, gingen in Südostbayern, Österreich und in der Sächsischen Schweiz in der Nacht Unwetter nieder. So sorgten die Wassermassen im Berchtesgadener Land für überflutete Straßen und Erdrutsche.
Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens heftige Überschwemmungen. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden nicht mehr erreichbar. Die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Dečin wurde gesperrt. Betroffen sind auch Fernzüge zwischen Dresden und Prag. "Die Situation ist angespannt, aber beherrschbar", erklärte das Lagezentrum des Innenministeriums in Dresden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte unterdessen Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht. "Es braucht einen nationalen Kraftakt", sagte er der Bild am Sonntag. Am Mittwoch wolle der Vizekanzler im Kabinett zwei Dinge auf den Tisch legen: "Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht", erläuterte Scholz. "Zweitens müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro."
Nach heftigem Regen war die Feuerwehr im Kreis Berchtesgadener Land in Oberbayern seit Samstagabend mit Hunderten Einsatzkräften im Dauereinsatz. Dort wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Zwei Menschen starben in dem Hochwassergebiet. Bei einem Todesfall ist noch unklar, ob er in Zusammenhang mit dem Hochwasser steht.
Die Lage sei dramatisch, sagte ein Sprecher der Integrierten Leitstelle Traunstein in der Nacht. Das Wasser schieße aus den Bergen. Gleichzeitig stiegen die Pegelstände des Flusses Ache an. Betroffen waren vor allem Berchtesgaden, Bischofswiesen, Schönau am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau. Dort trat das Wasser stellenweise über die Ufer und überflutete Straßen. Hänge rutschten ab. Einzelne Häuser wurden geräumt.
Bilder zeigten Straßen, die sich in reißende Bäche verwandelten. Menschen wateten knietief im Wasser. Alle paar hundert Meter sei die Feuerwehr im Einsatz, berichtet ein Augenzeuge. Traktoren räumten Schutt beiseite.
Der Einsatzleiter sprach am Sonntag von dramatischen Szenen. Es habe bis zu 500 Einsätze gegeben. Häuser hätten evakuiert werden müssen, weil sie vom Einsturz bedroht seien. Menschenleben seien in Gefahr gewesen. Die Lage bleibt angespannt, denn die nächste Regenfront ist bereits angekündigt. Am Sonntagmorgen reichte das Unwettergebiet bis nach Passau. Auch im Bayerischen Wald stiegen die Wasserstände.
Heftige Regenfälle erfassten in der Nacht zum Sonntag auch weite Teile Österreichs. Sowohl in Salzburg als auch in Tirol und Wien waren die Feuerwehren im Dauereinsatz, wie die Agentur APA meldete. Im Stadtgebiet von Hallein sei Zivilschutzalarm ausgelöst worden, ebenso in Mittersill im Pinzgau sowie in Kufstein in Tirol.
In der Stadt Salzburg wurde der Hochwasserschutz entlang dem Fluss Salzach aufgebaut. In Kufstein wurden die Menschen aufgefordert, Gebäude nicht zu verlassen und sich in höhere Stockwerke zurückzuziehen. Dort erreichte das Wasser der Zulaufbäche des Inns bereits die Straßen. Wegen möglicher Erdrutsche wurde ein Teil der Felbertauernstraße gesperrt. In Wien sorgten starker Regen und Gewitter für Hochbetrieb bei den Feuerwehren.
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(rt/dpa)