Weinhändler Michael Lang: "Das Ahrtal, wie man es kannte, wird man nicht wiederfinden"

Das Hochwasser hinterlässt ein völlig zerstörtes Ahrtal. Die Bewohner stehen buchstäblich vor Ruinen. Einer davon ist der Weinhändler Michael Lang, von dessen Weinlokal nur noch die Grundmauern stehen. Er fasst zusammen: "All das, was man hat oder hatte, ist zerstört."

Der Westen Deutschlands wurde von einer Hochwasserkatastrophe historischen Ausmaßes getroffen. Bis Samstagmorgen meldete das Bundesland Rheinland-Pfalz mindestens 90 verstorbene Personen, in Nordrhein-Westfalen starben mindestens 43. In beiden Bundesländern werden nach wie vor zahlreiche Menschen vermisst.

Eine der besonders hart getroffenen Regionen ist das Ahrtal – eine touristisch reizvolle Gegend mit vielen Weingütern im nördlichen Rheinland-Pfalz. Infolge des starken Regens wurde der kleine Fluss Ahr, ein Nebenfluss des Rheins, zu einer reißenden Bedrohung für die Bewohner des Ahrtals, ihre Häuser sowie ihr Hab und Gut.

RT DE sprach mit dem Weinhändler und Geschäftsführer des Ahr-Weindepots Michael Lang, der in Marienthal (Landkreis Ahrweiler) gerade ein Haus gebaut hatte, um dort eine Ahrwein-Vinothek einzurichten und nun wie viele andere vor dem Ruin steht.

Lang berichtet von der chaotischen Situation in Ahrweiler, wo nun allmählich die ersten Hilfsmaßnahmen anrollen. Die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rotem Kreuz und Bundeswehr stehen aber vor einer immensen logistischen Herausforderung, da nur wenige Straßen überhaupt passierbar sind. Die Brücken über die Ahr in der Stadt Ahrweiler sind allesamt eingestürzt. Lang schätzt die Lage folgendermaßen ein:

"Die Straßen sind teilweise weggespült. Eine Hilfe im Ahrtal kann im Grunde genommen nur über Luft erfolgen. Manche Orte sind von der Außenwelt ausgeschlossen. Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man das nicht miterlebt."

Krankenhäuser seien "nur über kilometerweite Umwege" erreichbar. Tankstellen sind außer Betrieb. Das normale Leben ist lahmgelegt.

"Wir haben keinen Strom. Wir haben kein fließendes Wasser. Man kann weder duschen noch zur Toilette gehen. Man muss sich irgendwie behelfen."

Erst allmählich realisieren die Bewohner der betroffenen Region, was gerade mit ihnen passiert ist. Lang spricht von einem Schock, unter dem die Menschen in den ersten 24 Stunden gestanden haben. Viele hätten Todesangst aushalten müssen und teilweise eine Nacht auf dem Hausdach verbracht, nicht wissend, ob ihr Haus den Wassermassen standhalten werde.

Für den Weinhändler steht fest, dass diese Hochwasserkatastrophe das Ahrtal nachhaltig verändert:

"Es ist unvorstellbar. Das Ahrtal, wie man es aus der Vergangenheit kannte, wird man so nicht wiederfinden. […] Es hat sich landschaftlich völlig verändert. Wo vorher grüne Natur war, wo Bäume standen und Felsen hervorragten, das ist weg."

Bereits gestern hatte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Marie-Luise Dreyer angekündigt, 50 Millionen Euro als Katastrophenhilfe bereitzustellen. Lang ist sicher: Das reicht bei Weitem nicht, es brauche eher Aufbauhilfen in Milliardenhöhe.

"Hier ist eine Landschaft auf einer Länge von 50 Kilometern zerstört. Da müssen richtig kräftige EU-Töpfe herhalten. Man unterstützt ja die anderen EU-Länder auch mit Hunderten Milliarden. Jetzt sind hier – von meinem Gefühl her – auch 100 Milliarden nötig."

Lang hob die vielen Existenzen hervor, die durch das Hochwasser bedroht wurden – die kleinen Ladenbesitzer in den Ortschaften und die Winzer mit ihren Weinhängen entlang der Ahr. Deren Lokale und Weinkeller wurden zerstört und damit auch ihre Zukunftsperspektive.

Lang schildert, wie seine eigene Lebensplanung durch die Flutkatastrophe zerstört wurde:

"Ich betreibe ein kleines Weinlokal bei uns am Marktplatz. Das stand 1,80 Meter unter Wasser – am Marktplatz, wo man normalerweise sein Leben genießt. Mein Ladenlokal ist hinüber. Ich habe mit meiner Lebenspartnerin zusammen vor einem halben Jahr in Marienthal ein Haus gekauft – mit den letzten Euro, die wir zusammengekratzt haben. Das letzte halbe Jahr habe ich in Eigenleistung alles schön hergerichtet, um mit wirklich wenig Geld eine Ahr-Vinothek zu eröffnen. Wir wollten eigentlich in zwei Wochen eröffnen. Alles war vorbereitet – jetzt komme ich dahin, und es ist alles weg. Das Wasser in Marienthal stand mindestens sieben Meter hoch. […] All das, was man hat oder hatte, ist zerstört."

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