Mit dem 12. Juli 1971 erschien der Begriff DDR in offiziellen Dokumenten und Berichten von Seiten der Regierung der BRD und der öffentlichen Verwaltungen ohne Gänsefüßchen. Seit der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 hatte es im staatlichen Briefwechsel, in den schulischen Lehrbüchern sowie in Zeitungen und im Fernsehen der Bundesrepublik stets "DDR" geheißen.
Mit der Wahl Willy Brandts 1969 zum Bundeskanzler einer SPD/FDP-Regierung wurde die Abschaffung eingeleitet. Die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition setzte auf Entspannung gegenüber der DDR und den Staaten des Warschauer Vertrages. Sie beendete die sogenannte Hallstein-Doktrin, die von 1955 an einen Alleinvertretungsanspruch der BRD für "alle Deutschen" begründete. Die Bundesregierung bewertete es zu der Zeit als "einen unfreundlichen Akt", wenn Drittstaaten die DDR diplomatisch anerkannten.
Führend in der Verwendung der Gänsefüßchen waren die Blätter des Axel-Springer-Verlages, seit 1966 mit Hauptsitz in West-Berlin. In jeder Schlagzeile über das Geschehen in der "Front-Stadt", die um die Nennung des benachbarten Landes nicht herumkam, und in jeder kurzen Meldung über die täglichen Ereignisse jenseits der Grenze folgte man der Schreibregulierung "DDR", gern noch mit einem "sogenannt" davor. Oder es hieß einfach "Zone".
Im Jahr 1968 wurden in den bundesdeutschen Medien eine Umfrage und eine Untersuchung zu der Schreibweise durchgeführt. Vorherrschend war die Einschätzung von Axel Springer mit Verweis auf Willy Brandt, nach der die DDR "erstens nicht deutsch und zweitens nicht demokratisch ist". Der Verlag schloss sich der Änderung der Schreibweise ohne Gänsefüßchen 1971 deshalb nicht an. Bei Springer gab es die "DDR" noch bis zum Sommer des Wendejahres. Am 2. August 1989 verschwanden die Anführungszeichen plötzlich und die Blätter berichteten über Bürgerrechtsbewegungen in der DDR, über Unruhen und Fluchtbewegungen aus der DDR in Richtung Westen. In einem Rückblick in Die Welt von 2019 sah die Verlagsspitze den Verzicht so kurz vor dem Mauerfall übrigens kritisch und erklärte, was "für ein Triumph" es gewesen wäre, die Schreibweise ein paar Monate länger beizubehalten.
Doch es gab in der BRD auch Kritik an den Gänsefüßchen. In manchen bundesdeutschen Zeitungen bereits in den 1960-er Jahren. Marion Gräfin Dönhoff, eine der prominentesten Publizistinnen der bundesdeutschen Nachkriegszeit, sagte in der oben genannten Umfrage, sie halte die Gänsefüßchen für "die politische Rache des kleinen Mannes". In ihren Artikeln in Die Zeit hatte sie sie nicht verwendet.
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