Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, des höchsten Gremiums der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands, Josef Hecken, hat sich für eine grundlegende Reform der Krankenhausversorgung ausgesprochen. Diese soll vor allem aus einer Reduktion der Anzahl der Klinikstandorte bestehen. Das Gremium des Gemeinsamen Bundesausschusses aus Vertretern der Krankenkassen, Ärzte und Krankenhäuser entscheidet beispielsweise darüber, welche Therapien und Medikamente gesetzlich Versicherte erhalten. Laut Hecken brauche Deutschland nicht mehr, sondern weniger Kliniken. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte er:
"Wir haben zurzeit 1.900 Krankenhäuser, 1.200 wären genug."
Die Kliniken sollten die Arbeit zudem effizienter aufteilen: Kleinere Krankenhäuser auf dem Land würden sich auf einfachere Eingriffe beschränken, während komplizierte Operationen nur in darauf spezialisierten Kliniken durchgeführt werden sollen. Dies wäre "gut für die Wirtschaftlichkeit und medizinische Qualität".
Zudem sei eine umfangreiche Strukturreform notwendig, um die zu erwartenden steigenden Krankenhauskosten zu bremsen. Im vergangenen Jahr haben die Krankenkassen rund 80 Milliarden Euro für Krankenhausleistungen ausgegeben, der Bund 11 Milliarden. Die Ausgaben für Medikamente und niedergelassene Ärzte seien nur halb so hoch. CDU-Mitglied Hecken fordert außerdem, dass die Länder auf die im Grundgesetz festgeschriebene Planungshoheit über die Krankenhäuser verzichten müssten. Auch Florian Lanz, Sprecher des Spitzenverbandes der Krankenkassen, erklärte gegenüber der dpa, er sehe einen Reformbedarf bei den Kliniken. Gerade in den Ballungsgebieten sei es sinnvoll, sich auf die "wirklich notwendigen" Kliniken zu konzentrieren.
Im Sommer 2019 hatte die Bertelsmann Stiftung empfohlen, die Zahl der Kliniken in Deutschland auf 600 zu reduzieren und damit für Empörung gesorgt. Doch laut Bertelsmann könnte die Bündelung von Ärzten und Pflegepersonal sowie Geräten in weniger Krankenhäusern zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität führen. Von Ärztevertretern und Kliniken wurde diese Forderung massiv kritisiert. Andere, wie der SPD-Politiker Karl Lauterbach, unterstützten diese Forderung im Jahr 2019 jedoch:
"Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten. Dann hätten wir in anderen Kliniken genug Personal, geringere Kosten, bessere Qualität und nicht so viel Überflüssiges. Länder und Städte blockieren."
Erst im April dieses Jahres wurde von verschiedenen Bündnissen kritisiert, dass auch in der Corona-Krise in Deutschland massiv Kliniken geschlossen wurden. In der Krise wurde die Belastung der Intensivstationen zudem immer wieder als Argument für massive staatliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens angeführt.
Hecken war bereits in der Vergangenheit in die Kritik geraten: Im November 2013 wurde durch den Spiegel bekannt, dass er während einer Sitzung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen gesagt habe, man brauche nicht für jeden Bürger eine Psychotherapie, "eine Flasche Bier tue es manchmal auch". Angesichts der teils monatelangen Wartezeiten auf einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz sorgte das bei Betroffenen und Verbänden für Empörung, sodass Hecken später zurückruderte und seine Äußerung als "unglücklich, weil missverständlich bezeichnete".
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