Auf dem Parteitag der Grünen des Saarlandes wurde am Sonntag die Liste der Kandidaten für die Bundestagswahl im Herbst aufgestellt. Bei der Abstimmung über Platz 1 fielen zuerst die Landesvorsitzende Tina Schöpfer und dann die Vorsitzende des Jugendverbandes Jeanne Dillschneider durch. Im Anschluss trat ein Mann an, der ehemalige Landesvorsitzende Hubert Ulrich. Er gewann mit 95 zu 47 Stimmen der Delegierten.
Das Votum traf auf Kritik des Bundesvorstandes am Montag. Annalena Baerbock sagte: "Wir haben uns das anders gewünscht." Laut dem Statut der Gesamtpartei muss oder soll eine Frau auf Platz 1 kandidieren. Der saarländische Parteitag hatte vor Ulrichs Wahl entschieden, dass hier auch ein Mann antreten kann.
Der Landesverband hatte sich bereits mehrere Male nicht an die strikte Frauenquote gehalten. Zu Beginn des Jahres 2020 gab es dazu sogar eine Entscheidung des Schiedsgerichtes der Bundespartei, die als "Rote Karte" gewertet wurde.
Im Jahr 2009 hatten die Grünen im Saarland die bundesweit erste Jamaikakoalition geschlossen. Mit CDU und FDP hatten sie die Regierung gebildet, wobei Ulrich besonders dafür geworben hatte. Er galt in Berlin als jemand, der den Ortsverein von Saarlouis dominierte und auf diesem Weg einen hohen Einfluss auf den Landesverband ausübte.
Der Saarländische Rundfunk (SR) berichtete von Buhrufen während und nach den Abstimmungen auf dem Parteitag. Schöpfer erklärte dem SR zu ihrer Abstimmungsniederlage: "Ich finde es schade, weil ich denke, dass Markus Tressel (der Co-Vorsitzende des Landesverbandes, Anm. d. R.) und ich hier in den letzten vier Jahren eine gute Arbeit gemacht haben, die Partei zusammengeführt haben."
Noch auf dem Parteitag wurden Vorwürfe gegen Ulrich laut, er habe die Abwahl von Schöpfer beeinflusst. "Dieser permanente Vorwurf ist schlichtweg an den Haaren herbeigezogen", sagte er dem SR. "Er dient natürlich einer Kampagne, die wird auch munter gefahren."
Jetzt stellen sich viele Delegierte des Parteitages die Frage, ob sie die Wahl von Ulrich anfechten. "Wir sind schockiert über die Art und Weise, wie sich über das Frauenstatut der Grünen hinweggesetzt worden ist, und sehen hier eklatante Satzungsverstöße", heißt es in einer Erklärung der Landesjugend.
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