Die Bereicherung von Unionspolitikern und Firmen mit Maskengeschäften hatten bundesweit für Schlagzeilen und Empörung gesorgt, doch ein Ende des Skandals ist noch nicht in Sicht. Die neuesten Vorwürfe betreffen wieder einmal Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der einer Speditionsfirma aus seiner münsterländischen Heimat in Rahmenverträgen zur Maskenbeschaffung so großzügige Bedingungen wie kaum einer anderen Firma eingeräumt haben soll.
Konkret geht es um die Fiege International Beteiligungs GmbH (FIB). Der Sitz der Firma befindet sich in Greven im Münsterland, in der Nähe von Spahns Wahlkreis Steinfurt-Borken. Die Mitglieder der Unternehmerfamilie sind eng mit der CDU verflochten: Ex-Chef Hugo Fiege sitzt im Präsidium des CDU-Wirtschaftsrates, Sohn Felix Fiege ist Leiter der Fachkommission Digitale Wirtschaft des CDU-Wirtschaftrats in Nordrhein-Westfalen.
Im März 2020 schloss das Bundesgesundheitsministerium mit Fiege einen Rahmenvertrag von 110 Millionen FFP2-Masken und 500 Millionen einfachen OP-Masken. Aus Verträgen, die dem Onlinemagazin Tichys Einblick vorliegen, geht hervor, dass der Vertrag mit FIB eine besondere Klausel enthält:
"Im derzeitigen Markt ist es in der Regel aktuell erforderlich, dass FIB den Ankauf bei seinen Lieferanten schon vor der Prüfung tätigt. Den Parteien ist das bewusst und die damit verbundenen Risiken aus dem Kaufvertrag trägt BGM."
Das Gesundheitsministerium trug damit also sämtliche Risiken, falls sich die Masken als minderwertig oder unbrauchbar erweisen sollten. Außerdem erhielt das Unternehmen eine erhebliche Vorkasse:
"Das BGM hat bereits eine Abschlagzahlung von 40.000.000.- Euro (vierzig Millionen) geleistet."
Außerdem dürfte Fiege laut einem Anhang des Vertrags die vereinbarten Preise, die das Ministerium zu bezahlen hatte, nach oben korrigieren. Für FFP2-Masken wurden demnach 3,05 statt 2,95 Euro fällig, bei OP-Masken waren es 0,53 statt 0,44 Euro – bei einer maximalen Menge von 350 beziehungsweise 700 Millionen.
Auffällig ist, dass Spahn dem Unternehmen aus seiner Heimat Vergünstigungen einräumte wie kaum einer anderen Firma, die mit der Maskenbeschaffung beauftragt worden war. In den entsprechenden Rahmenverträgen, die beispielsweise mit VW, der Lufthansa, dem Versandhaus Otto und der BASF geschlossen worden waren, war laut Tichys Einblick keinem der Unternehmen Vorkasse eingeräumt worden, auch eine nachträgliche Anhebung der Preise findet sich in den Verträgen nicht wieder.
Die Firmen wurden in der Regel nur mit einer "unentgeltlichen Geschäftsbesorgung" beauftragt, bei der sie die Masken zum Selbstkostenpreis aufkaufen und liefern mussten. Im Vertrag mit der Lufthansa ist beispielsweise von einer "unentgeltlichen Geschäftsbesorgung" die Rede. In der Vereinbarung mit VW heißt es, dass das Unternehmen sich bemühen wird, "den Ankauf auf Verlangen des Bundes rückabzuwickeln", sollten sich die Masken als unbrauchbar erweisen.
Andere Unternehmen erhielten im Beschaffungsverfahren des Bundesgesundheitsministeriums hingegen weder Vorkasse noch eine Risikoübernahme des Staates, im Gegenteil: Mehr als 70 Lieferanten warten heute noch auf ihr Geld. Dabei geht es um einen Gesamtbetrag von mehr als 200 Millionen Euro. Bei 70 kleineren Maskenlieferanten versuchte das Bundesgesundheitsministerium, die Verträge im Nachhinein für unwirksam zu erklären.
In vielen dieser Fälle zahlte das Bundesgesundheitsministerium nicht und unterstellte den Firmen pauschal Qualitätsmängel der Masken. Außerdem verwehrte das Gesundheitsministerium den Lieferanten zusätzlich den Zugang zu der bereits gelieferten Ware, sodass es ihnen auch nicht möglich war, die Qualität der Masken von Gutachtern prüfen zu lassen und die pauschalen Unterstellungen richtigzustellen.
Zahlreiche betroffenen Unternehmen beschritten deshalb den Rechtsweg. Die betroffenen Firmen klagten vor dem Landgericht Bonn auf Bezahlung der Ware. Einige Kläger wie zum Beispiel die Karl Rabowsky GmbH in Berlin hatten bereits Erfolg. Das Landgericht Bonn verurteilte das Bundesgesundheitsministerium, ein Jahr nach der Lieferung den Kaufpreis von mehr als drei Millionen Euro zu erstatten. Wie das Gericht entschied, "liegen die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt nicht vor".
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