Sorge wegen Delta-Variante in Deutschland – Rückkehr zu Kontaktbeschränkungen nicht ausgeschlossen

Die Corona-Zahlen in Deutschland sinken weiter, in einigen Ländern steigen sie jedoch wieder an. Grund dafür soll die Delta-Variante des Virus sein. Auch hierzulande könnte diese bald laut Experten vorherrschend sein. Politiker mahnen zur Vorsicht.

Die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus ist erstmals im Herbst 2020 in Indien nachgewiesen worden. In Großbritannien soll sie laut Experten bereits den Hauptteil der Ansteckungen ausmachen. Auch in Deutschland mahnen, trotz stets sinkender Corona-Zahlen, Ärzte und Politiker weiterhin zur Vorsicht in der Pandemie. Von der Bundesregierung wird seitens der Opposition ein Plan für den Herbst gefordert.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warf jüngst die Frage auf, ob die aktuellen Corona-Lockerungen nicht zu weit gingen. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach sorgt sich vor allem um ungeimpfte Kinder. Auch der Präsident des Robert Koch-Institutes (RKI), Lothar Wieler, warnte vergangenen Freitag bei der Pressekonferenz zur Corona-Lage in Deutschland vor der Delta-Variante, die ansteckender sei. Der RKI-Chef betonte: 

"Das Virus ist nicht verschwunden. Lassen Sie uns die Erfolge nicht leichtfertig verspielen."

Durch Impfungen, Masketragen in Innenräumen und Abstandhalten könnten wiedergewonnene Freiheiten erhalten bleiben, so Wieler. Die Delta-Variante kursiere hierzulande derzeit auf niedrigem Niveau – rund sechs Prozent. Es sei jedoch nicht die Frage, ob Delta das Infektionsgeschehen in Deutschland dominiere, sondern wann, ergänzte er. Im Herbst werde es "in jedem Fall wieder zu mehr Neuinfektionen" kommen, sagte Wieler weiter.

Aus Sorge vor der möglicherweise gefährlicheren Delta-Variante schloss Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gar eine Rückkehr zu Kontaktbeschränkungen nicht aus. So sagte der Politiker gegenüber Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)

"Ich rechne damit, dass die Delta-Variante in einem Monat auch in Deutschland die vorherrschende Variante ist." 

Dann stelle sich die Frage: "Wie wirkt welches Vakzin auf sie?" Man könne auch nicht ausschließen, das Menschen infiziert aus dem Sommerurlaub zurückkehren. Von den Antworten auf diese Fragen hänge ab, "ob wir eine vierte Welle bekommen und wieder zu Kontaktbeschränkungen zurückkehren. Ausschließen können wir das nicht."

Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht es in der derzeitigen Pandemie-Phase auch mit Blick auf die Delta-Variante darum, die richtige Balance zu finden. "Wir können jetzt lockern", sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Die Stimmung dürfe aber nicht zu Übermut führen. Spahn ergänzte: 

"Also: Zuversicht für den Sommer, aber eben auch Vorsicht vor allem dann auch Richtung Herbst und Winter."

Mit Blick auf Kinder und Jugendliche sagte Spahn:

"Unser Ziel sollte sein, so viel Normalität wie möglich nach den Ferien auch für die Schulen, aber eben auch so viel Sicherheit wie möglich."

Eine Möglichkeit dabei seien Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren. "Wir können bis Ende August jedem über 12-Jährigen, der geimpft werden will, mindestens die erste Impfung angeboten haben." Für alle Nicht-Geimpften brauche es auch weiterhin mindestens regelmäßiges Testen.

Von Intensivmedizinern kommt verhaltener Optimismus. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, rechnet in einer möglichen vierten Corona-Welle mit weniger Patienten auf den Intensivstationen. Er sagte der Rheinischen Post

"Wir werden, wenn es im Herbst zu einem Wiederanstieg der Infektionszahlen kommt, sehr genau auf die Neuaufnahmen auf den Intensivstationen schauen müssen. Wenn die vulnerablen Gruppen bis dahin sehr gut geimpft sind, könnte es auch bei höheren Inzidenzen viel weniger schwere Verläufe geben."

Oppositionspolitiker forderten von der Bundesregierung einen konkreten Fahrplan, wie der Delta-Variante begegnet werden soll. "Das Politikversagen, das wir im letzten Jahr durch fehlende Luftfilter in Schulen, volle Busse und Bahnen und viel zu wenig Schutz am Arbeitsplatz erleben mussten, darf sich nicht wiederholen", sagte etwa die Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali, der Welt. Die Bundesregierung müsse endlich aus ihren Fehlern lernen und die Strukturen schaffen, "um einen guten Herbst und Winter zu ermöglichen", ergänzte die Politikerin.

Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Theurer forderte von der Regierung ein besseres "Reiserückkehrmanagement" und ein Rauskommen aus der "Lockdown-Logik". Die AfD warnte vor einem weiteren Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sagte der Welt: "Die Bundesregierung darf den Sommer nicht verschlafen und muss Deutschland jetzt für den Herbst vorbereiten." Man soll "vorerst an Masken in Innenräumen und Schnelltests festhalten".

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(rt/dpa)