Forscher finden Ursache für Blutgerinnsel nach AstraZeneca-Impfung

Eine deutsche Forschergruppe hat nun erstmals eine Erklärung dafür gefunden, warum der AstraZeneca-Impfstoff häufiger als erwartet zu teilweise tödlichen Thrombosen führt. Durch die verwendeten Vektoren könnten verkürzte Spike-Proteine in die Blutbahn gelangen.

In der letzten Zeit kam es im Rahmen der Massenimpfungen im Zusammenhang mit dem Impfstoff des Pharmakonzerns AstraZeneca immer wieder zu schweren Nebenwirkungen wie Thrombosen und einem damit verbundenen Mangel an Blutplättchen – mit teilweise tödlichem Ausgang. Stand 10. Mai, berichtete das in Deutschland für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut von 77 Fällen von "Thrombosen mit Thrombozytopenie" und von 14 damit verbundenen Todesfällen nach AstraZeneca-Impfungen.

Bisher ist noch nicht vollständig geklärt, auf welche Weise die Impfstoffe Blutgerinnsel auslösen, doch eine Forschergruppe um Rolf Marschalek von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main hat nun erstmals eine Erklärung dafür gefunden, warum dies gerade beim Impfstoff des Pharmakonzerns AstraZeneca häufiger als erwartet geschieht. Die Wissenschaftler hoffen, dass sich durch ihre Untersuchungen die Sicherheit von Vektorimpfstoffen verbessern lässt. Bei der Arbeit handelt es sich derzeit um eine Vorveröffentlichung, die noch nicht von Fachleuten begutachtet wurde.

Bei den Vakzinen der Pharmakonzerne AstraZeneca und Johnson & Johnson sowie dem russischen Impfstoff Sputnik V handelt es sich um sogenannte Vektorimpfstoffe. Als Vektoren, beziehungsweise Transportvehikel, dienen in diesem Fall für den Menschen ungefährliche Adenoviren, die mit einem Teil der genetischen Information des SARS-CoV-2-Erregers bestückt werden. Werden die Adenoviren in den menschlichen Zellkern eingeschleust, bilden sich durch zelluläre Mechanismen dann die für den SARS-CoV-2-Erreger typischen Spike-Proteine, die eine Immunantwort des Körpers auslösen sollen. Laut Marschalek könnte auch hier die Ursache für die Blutgerinnsel liegen, denn das Problem besteht darin, dass das Adenovirus nicht nur in die Zelle, sondern auch in den Zellkern eindringt:

"Und genau hier liegt das Problem: Das virale DNA-Stück (...) ist nicht dafür optimiert, innerhalb des Zellkerns transkribiert zu werden", sagte Marschalek.

Im Zellkern kann es nämlich zu einem Prozess namens Splicing kommen: Dabei werden Teile des SARS-CoV-2-Erbguts herausgeschnitten, die den "Bauplan" zur Bildung des Spike-Proteins beinhalten. Das Team um Marschalek hat nun untersucht, wie oft dieser Prozess auftritt und wie er die Spike-Proteine beeinflusst. Bei ihren Versuchen konnten sie beobachten, dass dabei verkürzte Versionen des Spike-Proteins entstanden. Bei diesen fehlte ein Bereich, mit dem sich das Protein in den Zellwänden verankerte.

Die Forscher nehmen an, dass diese verkürzten Spike-Proteine aus den Zellen geschleust und in die Blutbahn gelangen können, wo sie zur Entstehung von Thrombosen beitragen können. Für die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna, die auf mRNA-Technologie basieren, spielen diese Untersuchungen keine Rolle, da diese die genetische Information für das Spike-Protein nur in die Zelle, aber nicht in den Zellkern einschleusen.

Allerdings sind nach der Ansicht von Fachleuten weitere Untersuchungen nötig, um die Hypothese der Arbeitsgruppe zu bestätigen: Der Virologe Jonathan Ball von der University of Nottingham erklärte dem britischen Science Media Center, dass die Arbeit noch keine klare Verbindung zwischen den verkürzten Spike-Proteinen und Blutgerinnseln zeige. Auch Marschalek erklärte RT DE:

"Wir stehen gerade am Anfang von unseren Untersuchungen, und werden das alles noch weiter untersuchen."

In ihrer Arbeit verweisen die Wissenschaftler jedoch darauf, dass auch frühere Studien über Mechanismen berichteten, die zur Entstehung von Thrombosen führen. Untersuchungen des Mediziners Andreas Grainacher aus Greifswald zeigten beispielsweise, dass durch die AstraZeneca-Impfungen Antikörper gebildet wurden, die sich gegen Strukturen auf den Blutplättchen richten, sodass diese verklumpen und ein Mangel an Blutplättchen sowie Gerinnsel entstehen.

Marschalek erklärte RT DE weiter, dass er und seine Kollegen vermuten, dass beim AstraZeneca-Vakzin auch weitere Faktoren eine Rolle spielen. So sei bekannt, dass lösliche Spike-Proteine auch ohne intaktes Virus immer noch an den ACE2-Rezeptor der sogenannten Endothelzellen, die die Innenwände der Gefäße auskleiden, binden können:

"Lösliche Spikeproteine, die immer noch an ACE2 der Endothelzellen binden können, sind quasi wie ein Kristallisationskeim für Thrombosen."

Man könne jedoch nur darüber spekulieren, warum gerade Sinusvenenthrombosen besonders gehäuft auftreten: Ein möglicher Grund sei, dass es in Sinusvenen keine Venenklappen gibt, und je nach Körperlage fließe das Blut dann vor- oder rückwärts. Daher werde bei Sinusvenen zumindest die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Spike-Proteine dort Gefäßentzündungen verursachen.

Außerdem gebe es eine weitere Vorabstudie, in der Wissenschaftler um Stefan Kochanek von der Ulmer Universitätsmedizin von Verunreinigungen im AstraZeneca-Impfstoff berichten. Dabei traten vor allem sogenannte Hitzeschockproteine gehäuft auf. In einer Pressemitteilung erklärte Kochanek:

"Extrazelluläre Hitzeschockproteine sind jedoch bekannt dafür, dass sie angeborene und erworbene Immunantworten modulieren und bestehende Entzündungsreaktionen verstärken können. Sie wurden zudem auch schon mit Autoimmunreaktionen in Verbindung gebracht."

Derzeit sei noch unklar, ob diese Proteine die Wirksamkeit des Vakzins beeinträchtigen oder Nebenwirkungen verursachen. Doch bei der Vielzahl der gefundenen Verunreinigungen könnten zumindest einige negative Effekte haben.

Daher sei es nach Ansicht der Ulmer Mediziner nötig, den Herstellungsprozess und auch die Qualitätskontrolle des Impfstoffs zu überarbeiten. Aus Kreisen des Konzerns AstraZeneca hieße es hingegen, dass die im Impfstoff verbliebenen Proteine auf einem sicheren und teilweise niedrigeren Niveau als bei ähnlich hergestellten Impfstoffen liegen. Eine 100-prozentige Reinheit sei nicht zu erreichen, man arbeite jedoch mit den "höchstmöglichen Standards".

Aber auch die Untersuchungs-Ergebnisse der Frankfurter Wissenschaftler legen nahe, dass es nötig ist, den Impfstoff "umzugestalten". Laut Medienberichten steht der Impfstoffhersteller Johnson & Johnson bereits im Kontakt mit Marschalek, um seine Produkte möglicherweise so anzupassen, dass die Probleme durchs Splicing nicht mehr auftreten. Falls sich bestätigen sollte, dass die verkürzten Spike-Proteine eine Rolle für unerwünschte Impfnebenwirkungen wie Blutgerinnsel spielen, könnte man den Impfstoff so sicherer machen. Auf Anfrage von RT DE erklärte Marschalek:

"Man kann relativ einfach solche Splicestellen eliminieren. Dazu müssen nur einzelne Punktmutationen in die Spike Sequenz eingebaut werden. Dann hätte man ein 'Splice-safe' Gen."

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