Der Virologe Christian Drosten und der RKI-Forscher Kai Schulze gerieten auf Twitter heftig aneinander. Auslöser war eine Debatte um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus im Sommer. Alles begann mit einem Kommentar Drostens am Donnerstagmorgen auf Twitter. Dort warnte der Virologie-Professor der Berliner Charité davor, die Ansteckungsgefahr im Sommer nicht Ernst zu nehmen.
Drosten schrieb zunächst auf Twitter: "Für alle, die meinen, dass das wärmere Wetter die Übertragung von selbst erledigt. Nach derzeit konsensfähigen Schätzungen bewirkt der Sommereffekt ca. 20 Prozent Reduktion."
Damit meint der Virologe, dass die Gefahr einer Infektion mit dem Coronaviren in den wärmeren Monaten um 20 Prozent zurückgehe. Eine Aussage, die den Wissenschaftler Kai Schulze, der unter anderem für das Robert-Koch-Institut arbeitet, offenbar stutzig machte. Er stellte daher diesbezüglich eine Frage:
"Lieber Christian Drosten, in einem älteren Podcast zitierten Sie eine Modellierungsstudie (Kissler et al.). Dort werden bis zu 40 Prozent angenommen."
Schulze erklärte, dass verschiedene Studien "auf unterschiedliche Werte" des Sommereffekts kämen. Eine auf 40-60 Prozent, eine andere auf 17 Prozent. "Daher die Frage, wo die 20 Prozent herkommen."
Drosten reagiert entnervt auf weitere Nachfrage
Eine Twitter-Userin wies darauf hin, dass das RKI selbst in einem Bulletin von 20 Prozent spricht. Woraufhin Schulze erwiderte, dass die vom RKI verwendete Zahl auf Angaben von Drosten zurückgehe.
Drostens entgegnete mit drastischen Worten:
"Die Quelle und eine Begründung dazu hatte ich Ihnen ja zwei Stunden vor diesem Tweet per DM (Direkte Nachricht, Anm. d. Red.) erläutert. Dass Sie das nicht interessiert, zeigt mir, dass es Ihnen nicht um Inhalte geht. Troll Dich!"
"Ich habe nicht zwei Stunden später noch mal nachgefragt", erklärte Schulze später und versuchte, seine Frage nochmals sachlich zu erklären, bis Drosten schließlich genervt zurückgab: "Wie auch immer."
Man könne aus der von ihm zitierten Studie "eine sehr nachvollziehbare Schätzung" entnehmen, so Drosten. Die habe er in mehreren Podcasts erwähnt. "Das RKI wird wohl auch diese Literaturstelle kennen."
Schließlich hatte der Disput am Freitagnachmittag doch noch ein versöhnliches Ende. Drosten entschuldigte sich per Twitter für seine Wortwahl: "Lieber Kai Schulze, sprachlich war das gestern natürlich nicht OK, tut mir leid. Inhaltlich ist jetzt hoffentlich klar, auf welche Daten ich mich beziehe (siehe Verweis auf Kissler), und warum. Falls noch etwas unklar ist, bitte DM."
Da vielen Twitter-Usern aber immer noch nicht klar war, auf welche Daten sich Drosten konkret bezog, erläuterte der Virologe: "Meine Referenz ist die HCoV-Schätzung aus Kissler et al. (21%). Für SARS-CoV-2 gab es zu der Zeit des Papers nicht ausreichend Daten und man ging noch von einer Kreuzimmunität mit HCoVs aus. SARS-CoV-2 wird im kommenden Sommer ähnlicher zu den HCoVs (Verteilung, Immunität)."
Einige Twitter-Kommentatoren merkten jedoch kritisch an, dass angesichts dessen von einem Konsens in der Wissenschaft keine Rede sein könne. Die Frage, wie Drosten zu der Behauptung kommt, es handele sich um "konsensfähige Schätzungen", bleibt also offen.
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