Studie: Viele Patienten könnten künftig keinen einzigen Hausarzt in der Umgebung haben

In Deutschland werden 2035 werden voraussichtlich 11.000 Hausärzte fehlen. Damit stünden nur noch 57 Hausärzte für 100.000 Einwohner zur Verfügung. Knapp 40 Prozent aller Landkreise könnten in einigen Jahren unterversorgt sein, warnen die Autoren einer Studie

Schon jetzt ist es in einigen ländlichen Regionen schwierig, ärztliche Versorgungsmöglichkeiten zu finden. Während Kliniken unrentable Stationen an vielen Orten aber ganz schließen, warnt eine aktuelle Studie, dass sich der Hausärztemangel wohl noch verschärfen wird, vor allem auf dem Land, aber auch in Städten.

Probleme mit fehlenden Hausärzten drohen sich laut einer Studie in vielen Regionen aber noch zu verschärfen. Im Jahr 2035 könnten bundesweit knapp 11.000 Praxen unbesetzt sein, teilte die Robert Bosch Stiftung in dieser Woche mit – nach zuletzt 3.570 unbesetzten Arztsitzen 2019/2020.

Laut der Studie "Gesundheitszentren für Deutschland – Wie ein Neustart in der Primärversorgung gelingen kann", die das Berliner IGES Institut im Auftrag der Robert Bosch Stiftung erstellt hat, könne es insbesondere in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen für Anwohner schwierig werden, einen Hausarzt in Wohnortnähe zu finden. In einigen Landkreisen gehe die Zahl der Hausärzte dort bis 2035 wohl um rund 50 Prozent zurück.

Knapp 40 Prozent aller Landkreise werden nach Berechnungen der Experten unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht sein.

"Im Extremfall müssen Patienten damit rechnen, in ihrem Umfeld keinen einzigen niedergelassenen Hausarzt zu haben", warnt Hans-Dieter Nolting, Versorgungsforscher und Geschäftsführer des IGES Instituts.

Von rund 52.000 Hausärzten im Jahr 2019 könnten bis 2035 altersbedingt fast 30.000 Hausärzte ausscheiden. Dem Szenario zufolge können wohl nur rund 25.000 Praxen nachbesetzt werden - während die Zahl der zu besetzenden Hausarztsitze auch angesichts der alternden Bevölkerung zugleich auf 58.000 steigen könnte. Daraus resultierten knapp 10.900 unbesetzte Sitze. Die Versorgungsdichte nähme demnach von zuletzt 63 auf 57 Hausärzte pro 100.000 Einwohner ab.

Gründe für die Probleme seien, dass sich wenige Nachwuchsmediziner dafür entscheiden, sich als Hausarzt niederzulassen. Junge Ärzte bevorzugten statt Einzelpraxen zunehmend Angestelltenverhältnisse und Teilzeitmodelle. Als Lösungsvorschlag nennen die Studienautoren des Instituts, das europaweit unter anderem mit Medizintechnikunternehmen und Arzneimittelmarkt zusammenarbeitet, unter anderem lokale Gesundheitszentren mit multiprofessionellen Teams.

"Schon jetzt ist die hausärztliche Versorgung in ländlichen Regionen gefährdet. (…) Dass Jens Spahn sehenden Auges diese Katastrophe geschehen lässt, offenbart sein komplettes Versagen angesichts der Krise der ambulanten Versorgung", kommentierte der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion Achim Kessler die Studie.

Am Mittwoch stellte unter anderem die Enquetekommission des Landtags zur Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern nach einem Jahr ihren Abschlussbericht vor. Wie die Menschen im Land bereits merken und mit Protesten gegen immer mehr Klinikschließungen zum Ausdruck bringen, kam auch die Enquetekommission zu dem Schluss, dass vor allem der ländliche Raum vor großen Herausforderungen stehe, künftig eine gute, wohnortnahe Gesundheitsversorgung anbieten zu können, wie der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sebastian Ehlers erklärte. Dem wolle man mit einem Ausbau der Fachkräfteausbildung begegnen. Außerdem müsse die Telemedizin ausgebaut werden – wofür allerdings der Breitbandausbau eine Grundvoraussetzung sei.

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