Horst Bangert (78) ist selbst Steuerberater gewesen, 2007 in Rente gegangen und hat wie mehr als 140.000 weitere Rentner Einspruch gegen seinen Steuerbescheid eingelegt. Es geht um eine grundsätzliche Problematik für Millionen Rentner, die Steuern zahlen – die doppelte Besteuerung. Wird sie nachgewiesen, wäre sie illegal.
Die höchsten deutschen Finanzrichter müssen nun beurteilen, ob der Staat bei der Rente zweimal abkassiert: ein Mal während der Bürger einzahlte und das zweite Mal, wenn die Rentenzahlungen fließen. Eine Doppelbesteuerung läge vor, wenn der steuerfreie Anteil der Einzahlungen höher wäre als der steuerfreie Teil der Rentenzahlungen.
Für Angestellte ist die Lage weniger brisant als für Selbstständige, weil Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zahlen, und dies steuerfrei. Sollte es die beklagte Doppelbesteuerung wirklich geben, ginge es bei ihr zunächst um kleinere Beträge, die aber bei Rentnern auch ins Gewicht fallen. Kernfrage ist, welche Rolle der Grundfreibetrag von 9.000 Euro im Jahr spielt, der jedem Steuerzahler das Existenzminimum zusichert.
Auf der Gegenseite der Kläger kamen extra zwei Spitzenbeamte aus dem Bundesfinanzministerium des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zum Bundesfinanzhof nach München gereist. Für Staatssekretär Rolf Bösinger ist das Alterseinkünftegesetz verfassungskonform. Er sieht keinen Handlungsbedarf.
Klaus Grieshaber vom Bund der Steuerzahler sieht das anders. Er sagte in der ARD:
"Wir glauben, dass diese Art der Besteuerung nicht richtig ist. Darum klagen wir beim Bundesfinanzhof mit unserem Musterverfahren."
Hauptsächlich stoßen sich die Kläger an der Umstellung der Rentenbesteuerung seit 2005, die sich bis zum Jahr 2040 stufenweise vollzieht. Bis dahin wird der Anteil der Rente, der einer Steuerpflicht unterliegt, schrittweise erhöht, bis sie ab 2040 schließlich vollständig bis auf den Grundfreibetrag von 9.000 Euro im Jahr besteuert wird. Das kommt de facto einer Rentenkürzung gleich.
Nach langjährigen rechtlichen Auseinandersetzungen bröckelte nun die Front der Fiskalvertreter. Der Senat unter der Vorsitzenden Richterin Jutta Förster konfrontierte das Bundesfinanzministerium nun mit bohrenden Fragen. Die geben schon einen Vorgeschmack auf das Urteil, das für den 31. Mai angesetzt ist.
Sollten die Richter zugunsten der Kläger entscheiden, müsste sich der Finanzminister schnell nach einer neuen Einnahmequelle umsehen. Dann würde unweigerlich mehr Steuergeld in die Rente fließen müssen, wollte man vor der Wahl bei den 20 Millionen potenziellen Wählern keine Rentenkürzung verkünden. Oder die Rentenbeiträge würden erhöht, was ebenfalls Wählerstimmen kosten würde. Der für die Rente direkt zuständige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) denkt wegen der Corona-Krise sogar über eine gestaffelte Einführung der Grundrente nach.
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