Die Furcht vor einer Überlastung des Gesundheitssystems und gar vor einer drohenden Triage tauchte im letzten Jahr immer wieder in den Nachrichten auf. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn selbst befeuerte diese Panik, es gäbe bald keine Intensivbetten mehr.
Ein Bericht vom "RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung" der Technischen Universität Berlin, der im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit erstellt wurde, zeigt jetzt: Es hatte nie eine Überlastung gedroht.
Im Gegenteil. Die von der Regierung berufenen Experten, die für das mittlerweile berüchtigte Corona-Strategiepapier verantwortlich waren, geben in einer Stellungnahme zu, "dass die Pandemie zu keinem Zeitpunkt die stationäre Versorgung an ihre Grenzen gebracht hat".
Im Jahresdurchschnitt waren vier Prozent aller Intensivbetten mit Corona-Fällen belegt. Die höchsten tagesbezogenen Belegungsquoten gab es in der zweiten Dezemberhälfte – mit knapp 5 Prozent aller verfügbaren Intensivbetten.
Wie kam die Schreckensbotschaft von überfüllten Stationen also dann zustande? Auch darauf kann die Studie durchaus einen Hinweis geben. Die Forscher haben geprüft, wie groß die Krankenhäuser waren, die COVID-19-Patienten aufgenommen hatten. Dabei stellte sich heraus: Krankenhäuser mittlerer Größe, also mit 300 bis 399 Betten, hatten überproportional mehr COVID-19-Fälle zu versorgen als kleinere oder größere Hospitäler.
Bezogen auf die Patienten mit intensivmedizinischer Versorgung wurde das Missverhältnis noch größer. So nahmen die Krankenhäuser mittlerer Größe zwar 15 Prozent dieser Kranken auf, hatten aber nur 11 Prozent aller Intensivbetten zur Verfügung.
Eine weitere Tabelle zeigt dann: Besonders kleine Hospitäler, die selbst nur ein Drittel der medizinischen Infrastruktur ausmachen, haben überdurchschnittlich viele COVID-19-Patienten in andere Krankenhäuser verlegt, sei es zur Nachbehandlung oder zur weiteren intensivmedizinischen Versorgung. 38 Prozent der Patienten wurden an andere Krankenhäuser verlegt. Krankenhäuser mittlerer Größe dagegen hatten dann die meisten Intensivfälle pro Intensivbett.
Wo sind die Kranken hin?
Wie kommt aber wiederum andererseits das Bild von leeren Operationssälen und verwaisten Fluren zustande? Aufgrund der aufkommenden Panik ab Mitte März 2020 hielten die Krankenhäuser ihre Kapazitäten für die potenziell zu erwartenden COVID-19-Fälle frei und bauten dafür ihre Intensivkapazitäten aus.
Die Statistiken über die Auslastung je nach Krankheitsbild zeigen: Ab Kalenderwoche 11, dem Beginn der Pandemiemaßnahmen in Deutschland im Jahr 2020, wurden deutlich weniger planbare Operationen durchgeführt. Bei einigen Diagnosen fragt man sich aber dennoch: Wohin sind die Kranken dann verschwunden?
Die Zahl der Hüft- und Kniegelenksoperationen sank im Frühjahr 2020 um die Hälfte. Danach gab es einen leichten Nachholeffekt. Weitere planbare Operationen sind etwa die Entfernung der Gallenblase und die Korrektur von Leistenbrüchen. Über das Jahr 2020 wurden insgesamt 82.000 Operationstermine weniger angesetzt. Das entspricht einem Rückgang um 12 Prozent. Ob und wann diese Patienten jemals doch wieder ins Krankenhaus kommen werden, ist noch ungewiss.
Schwieriger und noch ernster ist die Lage jedoch bei den nicht planbaren Operationen wie etwa Herzinfarkten, Schlaganfällen oder auch Aufnahmen von Notfällen bei Kindern unter 14 Jahren. Besonders zu Beginn der Pandemie brachen diese Zahlen ein, blieben aber auch danach unter dem Vorjahresniveau. Über das Schicksal dieser Fälle kann die Studie allerdings keine Auskunft geben. Das war aber auch nicht ihr Ziel.
Weniger Krebsbehandlungen
Ein weiteres großes Feld, in welchem viele stationäre Behandlungen plötzlich ausblieben, sind ambulant-sensitive Krankenhausfälle, also Erkrankungen, bei der die richtige ambulante Behandlung einen Aufenthalt im Hospital unnötig machen könnte. Zu dieser Gruppe zählen Diabetes, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz und Asthma als Hauptdiagnosen.
Im Schnitt ging auch hier die Anzahl der stationären Behandlungen um 200.000 oder 18 Prozent zurück. Das muss nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein. Es kann auch darauf hindeuten, dass eine Einweisung schlicht nicht notwendig war. Aber es könnten auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle gespielt haben. Denn eine Gesetzesänderung zum Anfang des Jahres 2020 hatte kleinere Eingriffe für Krankenhäuser weniger lukrativ werden lassen.
Während alle anderen Behandlungsgruppen also große Einbrüche zu verzeichnen hatten, ist die Anzahl der Einweisungen mit Karzinomen gemittelt "nur" um 5 Prozent oder 6.500 Fälle gesunken. Den größten Schwund bildeten dabei mit 9 Prozent die Patienten mit Darmkrebs, bei jenen mit Magen-, Bauchspeicheldrüsen- oder Speiseröhrenkrebs lagen die Zahlen niedriger.
Die Studie zeigt: Durch den Rückgang der Fälle sank die Bettenauslastung der Klinken insgesamt von noch 75,1 Prozent im Jahr 2019 auf ein historisches Allzeittief von nur 67,3 Prozent im vergangenen, ersten Pandemie-Jahr. Manche Hospitäler erschienen leer, andere waren durch eine mangelhafte Belegungsstrategie tatsächlich dem Zusammenbruch nah. Panikmeldungen wären jedoch auf jeden Fall vermeidbar gewesen.
Kanzleramtschef Helge Braun sprach zwar kürzlich von einer spürbaren Entlastung durch die "Notbremse", dafür warnen jetzt aber die Kassenärzte vor Überlastung.
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