Die 2020 veröffentlichten Leitlinien der Bundesregierung für den Indopazifik definierten "deutsche Interessen" in der Region und führten Initiativen auf, wie diese "Interessen" gesichert werden sollen. Mit den Leitlinien richtet die Bundesregierung ihren Fokus erstmals explizit auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen der Region. Inhaltlich will sich Deutschland in folgenden Bereichen engagieren: Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung von Atomwaffen, Cybersicherheit, humanitäre und Katastrophenhilfe, Piraterie- und Terrorismusbekämpfung, Konfliktbewältigung sowie Prävention bis hin zum Erhalt der sogenannten regelbasierten Ordnung. Mit der regelbasierten Ordnung setzt der Westen faktisch seine eigene Agenda mittels Militärinterventionen oder Sanktionen auf der Welt durch.
Das Ziel der Leitlinien ist es, so wird verkündet, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren und mit den pazifischen Partnern "Multilateralismus, Menschenrechte und Freihandel" zu stärken.
"Die Sicherheit Europas wird auch im Pazifik entschieden", darin seien sich Brüssel und Berlin einig, kommentierte vor Kurzem die transatlantisch orientierte Zeitung Die Welt. Die Bundesmarine solle deswegen in dieser Region Präsenz zeigen. Das Argument folgt demselben Muster wie bei der damaligen deutschen Rolle in Afghanistan. "Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt", sagte am 11. März 2004 der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck.
Im vergangenen November nahm Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) an einer Online-Diskussion des australischen Thinktanks ASPI teil. Dort nutzte die Ministerin die Anwesenheit ihrer australischen Amtskollegin Linda Reynolds und kündigte an, dass Deutschland eine militärische Präsenz im Indopazifik anstrebe.
Berlin werde im Sommer 2021 eine Fregatte in die Region entsenden, sagte Kramp-Karrenbauer. Zudem sei es vorstellbar, dass deutsche Marineoffiziere auf australischen Schiffen zum Einsatz kämen. Bereits in den vergangenen Jahren überlegten auch Beamte in Berlin, ein Kriegsschiff durch die 180 Kilometer breite Meerenge zwischen China und Taiwan zu schicken, so die Welt.
Der Autor der Welt behauptet in seinem Kommentar, Taiwan sei ein unabhängiges Land, "das von der chinesischen Volksrepublik als Teil ihres Territoriums betrachtet wird". Er kommentiert weiter, dass eine deutsche Fregatte in der Meerenge "ein starkes Zeichen der Unterstützung für Taiwan" gewesen wäre. "Allein: Es blieb bei Gedankenspielen."
In ihrer Erklärung im Oktober 2020 betonte die chinesische Botschaft in Berlin, dass einzelne deutsche Politiker in letzter Zeit das Ein-China-Prinzip missachtet und sich in die inneren Angelegenheiten Chinas eingemischt hätten. "Es gibt nur ein China auf der Welt. Taiwan ist ein untrennbarer Bestandteil Chinas. Das Ein-China-Prinzip ist eine allgemein anerkannte Grundnorm in den internationalen Beziehungen und von der internationalen Gemeinschaft weitestgehend anerkannt."
Sowohl Berlin als auch Brüssel legen ihren strategischen Fokus auf die Region Asien-Pazifik. Die Militärpräsenz signalisiere, so die Welt, dass man sich in den beiden Hauptstädten einig sei, dass die Sicherheit Europas auch im Pazifik entschieden werde. Das Verteidigungsministerium habe zwar die Entsendung der Fregatte Bayern fürs zweite Halbjahr angewiesen, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Welt am Sonntagauf Nachfrage – eine Durchfahrt durch die Straße von Taiwan sei aber nicht geplant.
Berlin betrachtet die Meerenge als internationales Gewässer. Das geht aus einer Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Ulrich Lechte an das Auswärtige Amt hervor, die der Welt vorliegt. Von dem internationalen Gewässer wolle Berlin aber nicht Gebrauch machen. Lechte kritisiert, dass in der Bundesregierung Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklafften. Durch die Meerenge zu fahren bedeute, für "die Freiheit der liberalen Demokratie Taiwan" einzutreten. Taiwan zu umschiffen bedeute hingegen, "einen Kotau vor der Volksrepublik zu machen", findet der Abgeordnete.
Die mögliche Passage der Straße von Taiwan durch eine deutsche Fregatte würde China provozieren und damit die guten Beziehungen zwischen China und Deutschland gefährden. Deutschland profitiert am meisten in Europa vom Handel mit den Chinesen. Was deutsche Interessen in Bezug auf den Handel mit China betrifft, bestimmen offenbar Washington und die EU, wo die Prioritäten liegen sollen.
Mehr zum Thema - China kritisiert Treffen taiwanischer Politiker mit Abgeordneten des Bundestags