Am 8. April sorgte ein Beschluss des Amtsgerichts Weimar für Aufsehen. Das für Familiensachen zuständige Amtsgericht untersagte zwei Schulen, den Schülern Masken und Corona-Tests vorzuschreiben, da der Maskenzwang die Kinder "physisch, psychisch, pädagogisch und in ihrer psychosozialen Entwicklung" schädige. Zudem seien die PCR- und Schnelltests "nicht geeignet", eine Corona-Infektion festzustellen. Der Familienrichter kam ebenfalls zu dem Schluss, dass der Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten sei.
Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie Auswertung diverser Gutachten – von der Hygieneärztin Prof. Dr. med. Ines Kappstein, dem Psychologen Prof. Dr. Christof Kuhbandner und der Biologin Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer – gelangte das Amtsgericht zu der Erkenntnis, dass die Maßnahmen eine Gefährdung des Kindeswohls darstellen. Richter Christian Dettmar zeigte sich überzeugt:
"100.000 Grundschüler müssten eine Woche lang sämtliche Nebenwirkungen des Maskentragens in Kauf nehmen, um nur eine einzige Ansteckung pro Woche zu verhindern. Dieses Ergebnis nur als unverhältnismäßig zu bezeichnen, wäre eine völlig unzureichende Beschreibung."
Vielmehr zeige sich, dass der diesen Bereich regulierende Landesverordnungsgeber in eine Tatsachenferne geraten sei, die historisch anmutende Ausmaße angenommen habe, so Richter Dettmar weiter.
Und während ein Teil der Menschen das Urteil begrüßte, sorgte es bei anderen für Empörung. So wurde Dettmar unter anderem Rechtsbeugung vorgeworfen. Das Thüringer Bildungsministerium kündigte an, sich gegen den richterlichen Beschluss zur Wehr zu setzen. Außerdem wolle man eine mündliche Verhandlung erwirken – erst danach gebe es eine Beschwerdemöglichkeit gegen den Beschluss.
Zuvor hatte das Ministerium mitgeteilt, das Urteil werfe "gravierende verfahrensrechtliche Zweifel auf". Gegen den Weimarer Richter gingen mehrere Klagen wegen mutmaßlicher Rechtsbeugung bei der Staatsanwaltschaft ein.
Des Weiteren wird darüber spekuliert, dass dem Richter der entsprechende Fall gezielt zugespielt worden sei, da sich Dettmar bereits zuvor als "Corona-Skeptiker" hervorgetan habe. Laut Staatsanwaltschaft bestünden "Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist".
Nun geht der Fall weiter. Laut Aussage eines Behördensprechers am Montag hat die Staatsanwaltschaft Erfurt ein Ermittlungsverfahren gegen den Juristen eingeleitet. Es gebe demzufolge einen Anfangsverdacht auf Rechtsbeugung. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich in den sozialen Medien zudem die Nachricht, wonach am Montag sowohl Wohnung und Büro als auch das private Fahrzeug des Richters durchsucht worden seien. Laptop und Handy des kritisierten Richters wurden dabei ebenfalls beschlagnahmt.
Beobachter aus dem Umfeld des Juristen hätten, so berichtete der Nordkurier, "den Eindruck eines 'Einschüchterungsversuchs' gewonnen".
Der Rechtsanwalt Reiner Fuellmich schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Telegram:
"Jetzt ist es offiziell: Christian Dettmar, Richter am AG Weimar (Verfasser der Entscheidung vom 08.04.21) wurde heute morgen durchsucht: Büro, Auto (privat); Handy beschlagnahmt."
Der "willkürliche" Vorgang, der "allein der Einschüchterung" gedient habe, würde nun "sofort weltweit" publik gemacht, kündigte Fuellmich an.
Vertreten wird Richter Dettmar in dem gegen ihn eigeleiteten Verfahren vom Hamburger Strafverteidiger Dr. h.c. jur. Gerhard Strate. Dieser erklärte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland:
"Was der Richter geschrieben hat, mag mit guten Argumenten bestritten werden, es ist aber sorgfältig begründet und keineswegs abwegig. Hier den Vorwurf der Rechtsbeugung zu erheben, kann nur eine Justiz, die im vorauseilenden Gehorsam die zu erwartenden Gängelungen durch die Exekutive schon vorwegnimmt."
In der Zwischenzeit meldeten sich laut Fokus auch Befürworter des Richters bei der Staatsanwaltschaft. So seien "bis heute 91 Schreiben" bei der Behörde eingegangen, "in denen sich Anhänger des Familienrichters zu Wort melden".
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