"Verfassungswidrige Ausgangssperren stoppen": Verband bereitet Klage gegen Corona-Notbremse vor

Am Mittwoch stimmt der Bundestag über die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes ab. Sollte die in der "Bundes-Notbremse" vorgesehene Ausgangssperre durchgewunken werden, will die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hält die geplante Ausgangssperre auch in ihrer abgeschwächten Form für verfassungswidrig und will sie vor Gericht zu Fall bringen. Die GFF stehe hinter der Bekämpfung der Corona-Pandemie und sei bisher auch gegen keine Maßnahme eingeschritten, sagte der Vorsitzende Dr. Ulf Buermeyer am Dienstag in Berlin. Die Grenzen der Verfassung müssten aber eingehalten werden und dies sei nun nicht mehr der Fall. 

Die Fraktionen von Union und SPD hatten sich darauf verständigt, den Regierungsentwurf für die sogenannte Bundes-Notbremse abzuändern. Ausgangsbeschränkungen soll es nun von 22 bis 5 Uhr geben – eine Stunde später als zunächst geplant. Joggen und Spaziergänge würden bis Mitternacht erlaubt bleiben, allerdings nur allein. Die Maßnahmen sollen greifen, wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz – also die Zahl der Neuinfektionen binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner – in einer Stadt oder einem Landkreis drei Tage lang über 100 liegt. Der Bundestag will die Regelung am Mittwoch beschließen.

In einer Mitteilung kündigte der Verband an:

"Für den Fall, dass die geplanten Änderungen am Infektionsschutzgesetz (IfSG) unverändert beschlossen werden, bereitet die GFF den Gang vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor. Das Ziel: verfassungswidrige Ausgangssperren zu stoppen."

Für die Verfassungsrechtlerin Anna Katharina Mangold, die für die GFF ein Rechtsgutachten erstellt hat, ändert das aber nichts an den grundsätzlichen Problemen. Gebotene Ausnahmen fehlten, etwa für Geimpfte. Effektive Kontrollen seien unwahrscheinlich, denn der zulässige Spaziergang dürfte sich nur schwer vom verbotenen Nachhauseweg von der Privatparty unterscheiden lassen.

Die Ausgangssperre genüge nicht dem "verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot" und sei "unverhältnismäßig, weil sie insbesondere nicht auf einem schlüssigen Gesamtkonzept beruht", heißt es zusammenfassend in dem Gutachten. Weiter heißt es darin:

"Sie verletzt in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das Ehe- und das Familiengrundrecht, die Berufsfreiheit, das Eigentumsgrundrecht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit."

Die GFF kritisiert zudem eine "fehlende Ausgewogenheit der Belastungen in der Pandemie". Bund und Länder würden seit einem Jahr "massive Grundrechtseingriffe im Privaten" verhängen, "aber kaum effektive Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen in der Arbeitswelt".

Dabei halten Mangold und die GFF eine befristete Ausgangssperre durchaus für zulässig – als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzeptes, um die Ansteckungen ein für alle Mal auf ein niedriges Niveau zu drücken, das Lockerungen erlaubt. So aber befürchten sie einen "Jojo-Lockdown" mit Dauer-Ausgangssperre.

"Natürlich ist die Bekämpfung der Pandemie auch aus der Perspektive der Freiheitsrechte ein hohes Gut – aber der Staat muss die notwendigen Belastungen in verfassungsrechtlich überzeugender Weise fair verteilen", so Buermeyer.

"Die geplante Ausgangssperre zur Pandemiebekämpfung ist nicht fair, sie ist nicht erforderlich und sie ist unangemessen", erklärt der GFF-Vorsitzende.

Unklar ist noch, ob Betroffene direkt Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen können oder zunächst bei einem Verwaltungsgericht eine sogenannte negative Feststellungsklage erheben müssen, wie Buermeyer erläuterte. Die GFF will es deshalb möglicherweise parallel auf beiden Wegen versuchen.

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(rt/dpa)