In der Debatte über die staatlichen Corona-Beschränkungen wirbt Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür, dass Geimpfte und Genesene rasch genauso behandelt werden wie negativ getestete Menschen. In einem Interview mit der Welt machte der SPD-Kanzlerkandidat deutlich:
"Ich bin dafür, dass Geimpfte und Genesene so behandelt werden wie negativ Getestete. Das Robert Koch-Institut hat auf unsere Bitte hin ermittelt, dass von Geimpften wohl kein größeres Risiko ausgeht."
Die genauen Regeln dazu werde die Ministerpräsidentenkonferenz noch in diesem Monat diskutieren, sagte Scholz.
"Dafür haben wir im Infektionsschutzgesetz eigens eine Verordnungsermächtigung geschaffen, damit wir das dann rasch umsetzen können, ohne ein weiteres Gesetz machen zu müssen."
Eine Verordnungsermächtigung ermöglicht es der Regierung, Verordnungen zu erlassen, ohne das Parlament hinzuzuziehen. Die Debatte um eine Entmachtung der Bundesländer stößt bei Scholz auf Unverständnis. Es gehe bei der "Bundesnotbremse" "nicht um Machtfragen", sondern um "klare und einheitliche Regeln", damit die "Bürger in allen 16 Ländern wissen, was gilt". Zudem unterscheiden sich diese laut Scholz "nicht wesentlich von denen, die miteinander vereinbart waren".
Der SPD-Kanzlerkandidat ist "zuversichtlich", dass das veränderte Infektionsschutzgesetz, das in der kommenden Woche im Bundestag und Bundesrat beraten wird, zeitnah verabschiedet wird. Man werde "an der einen oder anderen Stelle noch ein wenig feilen". Scholz erwartet aber "keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem Entwurf".
Auf die Frage, ob es bei der geplanten Ausgangssperre Ausnahmen für Spaziergänger oder Jogger geben soll, antwortete Scholz ausweichend:
"Wichtig ist mir, dass es klare, einheitliche und lebensnahe Regelungen gibt. Für die privaten Kontakte, für das Einkaufen, für Ausgangsbeschränkungen, von deren Nutzen ich weiterhin überzeugt bin. Es muss für jede und jeden nachvollziehbar sein, was gilt."
Grundsätzlich findet Scholz, dass in der Corona-Politik der Bundesregierung "vieles ganz ordentlich geklappt" habe. In seinem Ressort etwa hätten "die vielen Milliarden Euro an Finanzhilfen" dazu beigetragen, "dass die Wirtschaft glimpflicher als befürchtet durch diese Krise gekommen und die Arbeitslosigkeit kaum gestiegen ist". In Bezug auf den Internationalen Währungsfond argumentiert Scholz, dass "wir wohl etwa 400.000 Unternehmen im vorigen Jahr durch unsere Hilfen gerettet haben".
Zwar sei die Impfkampagne nicht schnell genug angelaufen, aber seitdem "das Impfen zur Chefsache" wurde, habe sich die Situation spürbar gebessert. Scholz rechnet damit, dass bis Ende April pro Woche "vier bis fünf Millionen Bürger" geimpft werden können: "Ende Juni können wir die Zehn-Millionen-Marke erreichen".
Scholz im Biergarten und als Bundeskanzler
Im Vorfeld der Bundestagswahl macht der SPD-Spitzenkandidat Hoffnungen auf baldige Lockerungen. So sollen etwa Urlaubsreisen "im Sommer möglich sein". Noch stecke man aber "mitten in der dritten Welle". Dennoch ist sich Scholz sicher:
"Ich rechne aber fest damit, im Sommer im Biergarten sitzen und die nächste Bundesligasaison auch mal im Stadion verfolgen zu können."
Scholz formuliert als gesundheitspolitisches Ziel, wenn er Kanzler werden sollte, "robuste Strukturen für die Produktion von Impfstoffen" zu schaffen, damit Deutschland "wieder im besten Sinne Apotheke der Welt" werde. Der Staat solle helfen "bei der Forschungsförderung für die mRNA-Technologie". Zudem gehe es darum, "Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, sodass zügig auf Mutationen reagiert werden kann".
Scholz spricht sich für eine Reform der Staatlichkeit aus: Es komme darauf an, "dass alle staatlichen Ebenen an einem Strang ziehen" – "die 11.700 Städte und Gemeinden, die 401 Landkreise und kreisfreien Städte, die 16 Länder sowie die Bundesregierung mit ihren Ministerien".
"Unser Staat muss schnell, effizient und modern sein. […] Der Erfolg hängt davon ab, dass sich alle gemeinsam einer Sache verpflichtet fühlen und sich nicht gegenseitig die Verantwortung zuschieben."
Der SPD-Kanzlerkandidat sieht seine Partei "bestens vorbereitet" für den Wahlkampf. Er ist sich sicher, die SPD habe "ein überzeugendes Zukunftsprogramm für die 20er-Jahre". Am Ende werden die Bürger entscheiden, "in wessen Hände sie das Schicksal unseres Landes legen wollen":
"Und da sehe ich gute Chancen, dass die SPD die nächste Regierung anführt. Mit mir als Bundeskanzler."
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