von Stephan Fein
Seit dem 30. Juni 2014 ist der 61-jährige Jurist Präsident jener Behörde, die in Deutschland teure Versäumnisse und Schlampereien unserer Politiker beanstandet, ohne sie ändern zu können. Seine Expertise fürchten viele, auch wenn sie nur beratenden Charakter hat. Manche wünschten sich seine Berichte weit weg, Medienvertreter hingegen lieben ihn.
Unbestechlich deckt er Finanzierungsdebakel minutiös auf. Seine Berichte in diesem Jahr reichen von der "Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs mit Regionalisierungsmitteln im Jahr 2017", in dem er in drei Ländern "Korrekturbedarf bei den Verwendungsnachweisen in Höhe von 74,7 Millionen Euro" feststellte, bis hin zur Kritik am "EU-Wiederaufbaufonds", der keine Dauereinrichtung werden dürfe. Immerhin warnt er, während Politiker nur ausgeben: "EU-Mitgliedsstaaten haften gemeinschaftlich für Schulden in dreistelliger Milliardenhöhe. Dies birgt hohe Risiken für den Bundeshaushalt." Auch ein Thema seiner Aufmerksamkeit: wie unzureichend der Bund die Energiewende steuerte. Er sagte:
"Nach wie vor mangelhaft. Das Bundeswirtschaftsministerium geht von teils zu optimistischen und teils unplausiblen Annahmen zur Sicherheit der Stromversorgung aus. Es muss deshalb sein Monitoring der Versorgungssicherheit vervollständigen."
Meist geht es um nicht verausgabte Regionalisierungsmittel, am Bedarf vorbeigeplantes Steuergeld und blankes Versagen der Verantwortlichen. Die Frankfurter Allgemeine schreibt: "Kay Schellers Job ist es, sich unbeliebt zu machen."
Dabei wertet er nicht. Er resümiert, er bilanziert. So wie über die missratene Energiewende: "Außerdem hat das BMWi immer noch nicht festgelegt, was es unter einer preisgünstigen Stromversorgung versteht. (...) Einen Großteil des Strompreises machen staatlich geregelte Bestandteile aus, insbesondere die EEG-Umlage und die Netzentgelte. Der Bundesrechnungshof empfiehlt, diese Strompreis-Bestandteile grundlegend zur reformieren."
Zur Corona-Politik der Bundesregierung fasst er nur Zahlen zusammen: "Die besorgniserregende Finanzlage zeigt sich vor allem bei der Verschuldung des Bundes. Von 2020 bis 2022 explodieren die Kredite von Null auf über 450 Mrd. Euro – eine gewaltige Schulden-Lawine. Ein Herauswachsen aus dem Defizit allein durch wirtschaftliches Wachstum ist unrealistisch."
Schellers Spezialitäten liegen allerdings auch in den plötzlichen, trockenen, von Zahlen durchtränkten Auftritten, die so mancher opportune Polit-Dialektiker fürchtet, weil er sich erklären muss. In einem Bericht etwa an den Haushaltsausschuss gab Scheller zu Protokoll:
"Der Bund wird derzeit von einer Schuldenlawine mitgerissen. Es gelingt ihm immer weniger, sich aus eigener Kraft zu finanzieren."
Und schon legte die Arbeitgeber-Lobbyvereinigung INSM nach und zielte auf Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), nannte ihn gar den "Schuldenkönig." Scheller ist es egal, ob 2021 ein Wahljahr ist.
Gustav Horn, Vorstandsmitglied der Bundes-SPD und enger Wirtschaftsberater von Parteichef Norbert Walter-Borjans, war es das nicht. Er forderte Schellers Rücktritt wegen "übergriffiger Inkompetenz," "Anmaßung politischer Kompetenzen, für die er keinerlei Legitimation" aufweise.
Scheller blieb unbestechlich. Die verpatzte Pkw-Maut von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) war wie die fragwürdige Vergabe einer Batteriezellenfabrik durch Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) in ihre münsterländische Heimat sachlich und nüchtern Thema seiner Expertise wie auch der Einsatz externer Berater im Verteidigungsministerium von Ursula von der Leyen (CDU).
Anders als manch andere Politiker oder Spitzenbeamte hat der Vater dreier Kinder auch ein Leben abseits der Arbeit. Er feiert rheinischen Karneval, im Umland von Rhöndorf, wo er lebt, fährt Rad und wandert. Scheller hat schließlich nicht nur Feinde in der Politik. Der Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler sagt über ihn: "Der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Jahren sehr wichtige Aufklärung geleistet bei Kostenexplosionen bei ÖPP-Projekten. Zahlreiche Geldverschwendungen und Gesetzesverstöße von Andreas Scheuer wären ohne den Hof nicht ans Licht gekommen."
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