Trotz innerparteilicher Kritik: Sahra Wagenknecht wird Spitzenkandidatin der NRW-Linken

Trotz heftiger Kritik aus den eigenen Reihen wird Sahra Wagenknecht erneut Spitzenkandidatin der NRW-Linken bei der Bundestagswahl im Herbst. Wagenknecht schreibt in einem neuen Buch gegen die Selbstgerechtigkeit der immer stärker identitätspolitisch geprägten Linken an.

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist trotz heftiger innerparteilicher Kritik an ihrem neuen Buch erneut zur Spitzenkandidatin der NRW-Linken für den Bundestag nominiert. Bei einer Kampfabstimmung um Platz 1 der Aufstellungsversammlung in Essen hatte sie 127 Stimmen erhalten, wie die Versammlungsleitung am Samstag mitteilte. Das entspreche 61 Prozent. Nach den Abstimmungen über die Plätze muss die gesamte Liste von den Vertretern noch gewählt werden.

Wagenknecht hatte überraschend gleich zwei Gegenkandidatinnen bei ihrer Bewerbung um den Spitzenplatz in Nordrhein-Westfalen. Zuvor war nur eine Konkurrentin bekannt. Eine junge Klimaaktivistin, die überraschend ebenfalls kandidiert hatte, übte scharfe Kritik an Wagenknecht. Sie kandidiere, weil sie es nicht akzeptiere, "als queere Person von Sahra Wagenknecht in ihrem Buch als Teil einer 'skurrilen Minderheit' mit 'Marotten' beleidigt zu werden."

Ein Antrag, eine einstündige Debatte zu führen und damit die Tagesordnung zu ergänzen, wurde eingangs mehrheitlich abgelehnt. Es wurden Fragen ausgelost, denen sich die drei Bewerberinnen stellen mussten.

Die frühere Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag wehrte sich erneut gegen die heftige Kritik. "Mein Buch rechnet nicht mit der Linken ab", sagte sie bei ihrer Bewerbung um den Spitzenplatz. Ihr Buch sei ein Vorschlag für eine stärkere Linke. Was nicht gehe, sei, dass mit aus dem Zusammenhang gerissenen und teils auch verfälschten Zitaten ein Zerrbild ihres neuen Buches vermittelt werde. So sollte man nicht miteinander umgehen, unterstrich Wagenknecht in Essen.

Wie das Magazin Der Spiegel am Freitag mit Berufung auf Mitglieder des Parteivorstands berichtet hatte, forderten mehrere Linken-Politiker Wagenknecht unmittelbar vor der NRW-Aufstellungsversammlung zum Verzicht auf ihre erneute Bundestagskandidatur auf. Dem Bericht zufolge werten mehrere Mitglieder des Parteivorstands, darunter auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat, das Buch "Die Selbstgerechten" als eine Art Generalabrechnung mit der Partei.

Auch während der Abstimmung warb Movassat noch – erfolglos – für die gegen Wagenknecht antretenden Kandidatinnen. Die 51-jährige Wagenknecht ist in der Bevölkerung deutlich populärer als in der eigenen Partei. In den sozialen Netzwerken wurde das Ergebnis der Abstimmung der NRW-Linken äußerst kontrovers diskutiert.

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(rt/dpa)