Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gestand beim Schutz vor Drohnen "eine akute Fähigkeitslücke" der Bundeswehr ein. Der Krieg um Bergkarabach habe gezeigt, dass mit Drohnen eine neue Art von Krieg geführt wird, so die Verteidigungsministerin im Januar. Während der Kämpfe hatten aserbaidschanische Drohnen aus israelischer und türkischer Produktion mehr als 190 armenische Panzer und gepanzerte Fahrzeuge vernichtet.
"Wir haben in Bergkarabach gesehen, dass mit Drohnen eine andere Art von Krieg geführt wird. Wir sehen, dass Drohnen ein Mittel sind, die asymmetrische Bedrohungen darstellen können, weil sie auch von nicht-staatlichen Gruppierungen, Terrorgruppen genutzt werden."
Die armenischen Truppen wurden stark demoralisiert, weil sie den Angriffen wehrlos ausgesetzt waren. Berichte darüber sollen innerhalb der Bundeswehr für einen Schock gesorgt haben.
Unter Hochdruck habe die Verteidigungsministerin deshalb Vorschläge vorbereiten lassen, um die Lücke zu schließen und die Flugabwehr insgesamt neu zu konzipieren. Es handelt sich dabei um die Abwehr weitreichender Raketen, um die Bekämpfung angreifender Flugzeuge und um Drohnenabwehr. Für die beiden höheren Abfangschichten stehen unter anderem ältere US-Patriot-Batterien bereit. Diese müssten allerdings schnell modernisiert werden, was etwa 600 Millionen Euro kosten würde, berichtet die FAZ.
Nach heutigem Stand existiert eine Verteidigungsmöglichkeit gegen Drohnenangriffe nur mit ganz wenigen stationären Kanonen und einigen mobilen Flugabwehrfahrzeugen vom Typ Ozelot. Diese werden in einem internen Schreiben des Verteidigungsministeriums als "veraltetes, qualitativ und quantitativ unzureichendes" System bezeichnet, so die FAZ. Zudem verfügt die Bundeswehr zur Abwehr von Drohnen über Störsender, die jedoch als "nicht ausreichend qualifiziert" bewertet werden. Vier Bataillone zur elektronischen Luftabwehr sind beim Bundeswehrbereich Cyber angesiedelt. In dem Papier, das der FAZ vorliegt, heißt es, die Beschaffung einer Flugabwehr für den Nahbereich sei "zwingend erforderlich und schnellstmöglich anzugehen".
Nun soll Kramp-Karrenbauer dem Parlament vorgeschlagen haben, einerseits das Patriot-System zu modernisieren. Zudem soll die Bundeswehr eine verbesserte Abwehr im Nah- und Nächstbereich für rund 1,3 Milliarden Euro auf die Beine stellen.
Wie kam es zu der Fehlentwicklungen in der Bundeswehr? Der ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte 2015 erklärt, eine Flugabwehr werde für die internationalen Friedens- und Hilfseinsätze nicht mehr gebraucht. Die Heeresflugabwehr war deswegen aufgelöst worden, die Streitkräfte hatten nur geringen Selbstschutz behalten. Die letzten von einst rund 420 Flugabwehrpanzern Gepard mit je zwei Maschinenkanonen waren seinerzeit verkauft oder verschrottet worden. Kurz darauf änderte sich mit der Wiedereingliederung der Krim und der Eskalation der Lage im Osten der Ukraine schrittweise die Politik der Bundeswehr.
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