Der Fachkräftemangel spitzt sich zu. Nach einer neuen Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten dem deutschen Arbeitsmarkt im Jahr 2040 im Extremfall 4,2 Millionen oder zwölf Prozent weniger Fachkräfte zur Verfügung stehen als heute.
In einem optimistischeren Szenario, das Studienautor Wido Geis-Thöne derzeit für plausibler hält, sind es immer noch 3,1 Millionen oder 8,8 Prozent weniger.
In den regelmäßigen Umfragen 2018 des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) erklärten 62 Prozent der Unternehmen den Mangel an Fachkräften als Geschäftsrisiko Nr. 1. Nach dem ersten Lockdown im Frühsommer vergangenen Jahres machte er nur noch 26 Prozent der befragten Unternehmen Sorgen.
In der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage vom Februar stieg der Wert wieder auf 38 Prozent. IW-Forscher Geis-Thöne definiert als Fachkräftepotenzial jene aktuell rund 35,5 Millionen Personen zwischen 20 und 69 Jahren, die einen beruflichen oder akademischen Abschluss haben. Die Gruppe umfasst nicht nur Erwerbstätige, sondern beispielsweise auch qualifizierte junge Mütter, die wegen der Kinder pausieren, oder Ältere, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsleben scheiden.
In Folge der corona-bedingten Grenzschließungen rechnen die Fachleute mit einem langsamen Rückgang durch weniger Zuwanderer. Nach der optimistischsten Schätzung würden 2040 in der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen noch die Hälfte der beruflich Gebildeten und drei von vier Akademikern im Arbeitsleben stehen.
Allerdings ist auch die Erwerbsbeteiligung Älterer in den vergangenen Jahren bereits deutlich gestiegen. Waren von den 60- bis 64-jährigen Männern mit Berufsausbildung im Jahr 1999 nur rund 29 Prozent noch beruflich aktiv, so lag der Wert 20 Jahre später schon bei gut 67 Prozent, also mehr als doppelt so hoch. Geringe Rentenerwartung mag ein zusätzlicher Faktor für die Mehrbeschäftigung im Alter sein.
Nun fordern die Forscher von der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um insbesondere in der siebten Lebensdekade die Erwerbsbeteiligung deutlich zu erhöhen. Also länger arbeiten, später in Rente gehen.
In der Studie wird in Frage gestellt, ob bis zum Abschluss des Übergangs zur Rente mit 67 im Jahre 2031 die Regelaltersgrenze danach weiter erhöht werden könne. Nötig zum Erhalt der wirtschaftlichen Basis wäre es. Die Frage, ob sich das Altwerden lohne, beantwortet die Studie nicht.
Auch das im März 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz brachte nicht die gewünschte Verbesserung. Wolle man in größerer Zahl beruflich qualifizierte Migranten anziehen, müsse man mehr Menschen aus dem Ausland nach deutschen Standards ausbilden oder nachträglich qualifizieren. Schon jetzt sei es für Industrie und Mittelstand immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu bekommen.
Nach der IW-Studie steigt die Zahl der Akademiker weiter stark an, während die Zahl der Personen mit Berufsausbildung kräftiger sinkt als das Fachkräftepotenzial insgesamt.
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