In aktuellen Hochrechnungen kann die Union nach Impfdebakel, Maskenaffäre und katastrophalen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz noch knapp 28 Prozent erreichen. In einer in der Bild am Sonntag veröffentlichten Umfrage erreichte sie nur noch 25 Prozent. Im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann (hier leicht gekürzt) vom Deutschlandfunk sagte Wolfgang Bosbach:
"Wenn wir in wenigen Monaten – ab Dezember, Januar, ab dem Jahreswechsel – so viel an Zustimmung verlieren, dann ist das eine ernste Lage."
Bei Anne Will verteidigte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, wies aber auch auf Schwachstellen hin und zeigte Verständnis für den Unmut in der Bevölkerung. Bund und Länder würden dem Infektionsgeschehen nicht in der gebotenen Geschwindigkeit begegnen. Bosbach dazu:
"Ich fand die Analyse, die ich gerade gehört habe, auch sehr treffend. Sie war sehr ernst. Sie war auch sehr klar. Es gibt nur einen Punkt, da glaube ich nicht, dass die Länder mitziehen werden, denn wir haben ein sehr unterschiedliches, nicht gleichförmiges Infektionsgeschehen in unserem Land."
Angesprochen auf Merkel, die sich durch Fehler, der in der letzten Woche vor Ostern gemacht worden sei, den Sie sich ja selbst zugeschrieben hat, und durch ihre Entschuldigung im Prinzip mehr oder weniger selbst aus dem Spiel genommen habe, meinte er: "Mir ist jemand lieber, der sich korrigiert, einen Fehler eingesteht, als wenn jemand im Irrtum beharrt, so nach dem Motto, Hauptsache, ich behalte recht, auch wenn ich kein recht habe. Ich habe das als sympathisch empfunden, dass sie sich entschuldigt hat. Sie hat ja sogar die Verantwortung alleine übernommen, obwohl es 17 waren, die an der Schaltkonferenz sich beteiligten, Angela Merkel und 16 Ministerpräsidenten."
Forsa befragte vom 26. bis 29. März 1.030 CDU-Mitglieder zur Lage der Partei. Demnach sehen 51 Prozent im schlechten Corona-Management einen Grund für die schlechten Umfragewerte. Als weitere Ursache gaben 41 Prozent der Befragten die "Maskenaffäre" und Bestechlichkeit an, 22 Prozent regionale Gründe und 16 Prozent Profillosigkeit. Bosbach meinte:
"Es geht natürlich insbesondere in Wahlkämpfen um Programme, um Persönlichkeiten, die an der Spitze stehen, aber in der Wahlkabine geht es um Vertrauen. Wem vertraue ich persönlich, den Kandidatinnen und Kandidaten? Das betrifft das Thema Integrität. Und wem rechne ich die höchste Sachkompetenz zu? Wem traue ich es zu, das Land in eine gute Zukunft zu führen? Wenn dieses Vertrauen verloren geht, ist es sehr, sehr schwer, das wieder zurückzugewinnen."
Markus Söder hat jüngst gesagt, es komme ganz offensichtlich eine Wechselstimmung im Land auf. Es sei nicht selbstverständlich, dass die Union das Kanzleramt behält.
Bosbach dazu: "Selbstverständlich müssen wir darum ringen, dass wir die stärkste politische Kraft bleiben. Es hat dem Land gutgetan, dass wir über 70 Jahre hinweg zwei große Volksparteien hatten, die auch bei allen politischen Wechseln dafür gesorgt haben, dass wir Maß und Mitte halten, dass die Radikalen nie eine Chance haben, die politische Macht in Deutschland an sich zu reißen."
Jetzt ist die zweite Volkspartei dabei, sich ebenfalls zu verzwergen. "Wenn wir deutlich unter 30 Prozent notiert werden, dann wird es schwierig, den Begriff Volkspartei noch für sich zu reklamieren.", so Bosbach.
Weshalb hat die Union denn so massiv an Vertrauen eingebüßt? Was sind die wichtigsten Punkte? Bosbach sagte dazu:
"Der wichtigste Punkt ist sicherlich nicht die Masken-Affäre. Das hat uns den Rest gegeben, weil – ich muss jetzt mal so sagen – diese Typen, um die es hier geht, sämtliche Vorurteile gegenüber Parteien und Politikern bestätigt haben. Das käme nur on top dazu. Zuvor hatten wir das Impfdebakel auch im internationalen Vergleich, als die Bürgerinnen und Bürger gesehen haben, wieso können wir als eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt, wo man traditionell sagt, organisieren können die Deutschen gut, das nicht schaffen, was Israel, England, USA schon seit Monaten schaffen? Es ist nicht mehr so klar, wofür die Union steht und was uns von der politischen Konkurrenz unterscheidet."
Merkels Rückzieher und ihre Entschuldigung in der letzten Woche werden ihr von vielen als sehr honorig angerechnet. Aber am Ende bleibt der Eindruck, es herrscht Chaos, und die Sache ist nicht im Griff. "Ja, dieser Eindruck kann entstehen", so Bosbach.
"Sobald die Schaltkonferenzen zu Ende sind, kommt es zu der üblichen Pressekonferenz mit Frau Merkel, Herrn Söder, Herrn Müller. Da hat man den Eindruck, jetzt ziehen wir nicht nur an einem Strang, sondern auch alle am selben Ende eines Strangs. Spätestens am nächsten Morgen geben aber die Ministerpräsidenten zu Protokoll, dass sie sich für ihr Bundesland doch anderes vorstellen können."
Das sei "ein gewaltiger Flickenteppich", so der CDU-Politiker weiter. "Und die berühmte Frage, können Sie eigentlich noch alle Regeln auswendig hersagen, die zurzeit gelten, da kann ich nur sagen, ich versuche, es bei mir zu Hause zu verstehen, bundesweit völlig unmöglich."
Warum er Söder für den besseren Kanzlerkandidaten hält, legte Bosbach im folgenden dar:
"Markus Söder kann kurze Sätze, klare Botschaften. Es ist ja nicht so, dass die Zahlen in seinem Bundesland überragend besser wären als in anderen Bundesländern, überragend besser wären als in Nordrhein-Westfalen, aber er zeigt Führungsstärke. Er hat immer ganz klare Aussagen und Ansagen, und an ihm kann man sich orientieren. Das imponiert vielen. Auf der anderen Seite Armin Laschet, der mit einer Stimme Mehrheit im Landtag von Nordrhein-Westfalen mit der FDP hervorragende Arbeit macht. Das spricht für ihn."
Auf die Frage, ob er diese Führungsqualitäten bei Armin Laschet ein wenig vermisse, den laut Umfragen 66 Prozent nicht für einen geeigneten Kanzler halten, erwidert Bosbach:
"Es geht weniger um Qualität als um die Frage der Performance. Wie trete ich nach außen auf? Habe ich eine klare Sprache, verständliche Botschaften? Und da muss ich sagen, Respekt, das kann Markus Söder, kurze Sätze und Formulierungen, die sich einprägen."
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