Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes (BRH) präsentierte mit seinem "Bericht zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität" fatale Zahlen und eine vernichtende Kritik an der in der vorliegenden Art maßgeblich von Angela Merkel vorangetriebenen Energiewende. Das war bereits 2016 so, das war schon 2018 so und das ist auch in diesem Jahr wieder so. Kay Scheller sagte es klar heraus:
"Die Ergebnisse sind ernüchternd! Seit 2018 hat sich einfach zu wenig getan. Schon damals empfahlen wir dem Bundeswirtschaftsministerium, transparent zu machen, was es unter Bezahlbarkeit der Energiewende versteht."
Passiert ist dagegen nichts. Die Bilanz des Rechnungshofs ist folglich mehr als mager. Das Ministerium habe noch immer nicht bestimmt, was es unter einer "preisgünstigen und effizienten Versorgung mit Elektrizität" verstehe. Dabei ist das Niveau eines als preisgünstig eingestuften Stroms immer noch ungeklärt. In keinem anderen EU-Mitgliedsstaat sind die Strompreise für einen typischen Privathaushalt höher als hierzulande. Sie liegen "stolze" 43 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Für Gewerbe- und Industriekunden sind sie sogar Spitze. Nur für echte Großverbraucher in der Stahl- oder der Chemieindustrie mit einem Jahresverbrauch von mehr als 150.000 Megawattstunden liegen sie unter dem EU-Durchschnitt.
So profitieren ein paar sehr große Stromverbraucher vom Schaden für alle anderen. Sonderregelungen – wie etwa die "Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)" – machen es möglich, indem sie Abgaben und Umlagen auf den Stromverbrauch reduzieren.
Bemerkenswert auch, dass die eigentlichen Preistreiber nicht die reinen Erzeugungskosten sind, sondern die Abgaben, Umlagen und Steuern.
Das beginnt bei der EEG-Umlage, die zur Finanzierung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen anfällt. Dazu kommen die Netznutzungs-Gebühren, die Umlage zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die Offshore-Haftungsumlage und natürlich die Stromsteuer. 75 Prozent des Strompreises bestehen aus diesen staatlichen Regelmaßnahmen, ähnlich wie beim Benzin.
Die Halbleiter-Branche hatte jüngst Alarm geschlagen und moniert, dass unter diesen Standortfaktoren in Deutschland keine wettbewerbsfähige Produktion mehr möglich sei. Bundesrechnungshof-Präsidenten Scheller kritisiert:
"Der Bundesrechnungshof sieht die Gefahr, dass die Energiewende in dieser Form den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet und die finanzielle Tragkraft der stromverbrauchenden Unternehmen und Privathaushalte überfordert. Das Bundeswirtschaftsministerium muss anstreben, das System der staatlich geregelten Energiepreis-Bestandteile grundlegend zu reformieren. Anderenfalls besteht das Risiko, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und die Akzeptanz für die Energiewende zu verlieren."
Wirtschaftsverbände und Verbraucherschützer fordern seit Jahren eine Abkehr von diesem System. Doch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zaudert. Zwar beschloss im Juni letzten Jahres die Große Koalition, die EEG-Umlage in diesem Jahr auf 6,5 Cent je Kilowattstunde Strom zu deckeln, im Jahr 2022 auf sechs Cent. Der Finanzbedarf für diese Maßnahme wird mit elf Milliarden Euro beziffert. Dennoch sind die Strompreise Weltspitze.
Aus Sicht des Bundesrechnungshofs hat die Finanzierung aus Haushaltsmitteln des Bundes Nachteile: Sie kaschiere nämlich die wahren Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Der Rechnungshof will lieber eine marktbasierte CO2-Bepreisung. Seit Januar wurde für den Verkehr und die Wärmeenergiebereitstellung eine CO2-Bepreisung vorgegeben (im Brennstoffemissionshandelsgesetz: BEHG). Der CO2-Preis beträgt in diesem Jahr 25 Euro je Tonne, im BEHG ist ein Anstieg auf 55 Euro bis 2025 festgelegt. Die Grünen verlangen mindestens eine Verdreifachung.
Der Bundesrechnungshof sieht auch und gerade bei der Erfassung und Bewertung der Versorgungssicherheit ebenfalls arge Probleme. Scheller fordert:
"Hier muss das Bundeswirtschaftsministerium sein Monitoring vervollständigen und dringend Szenarien untersuchen, die aktuelle Entwicklungen und bestehende Risiken vollständig und realistisch erfassen."
Der Rechnungshof präzisiert hinsichtlich der "Entwicklungen und Risiken: "So hinterlässt der Kohleausstieg eine Kapazitätslücke von bis zu 4,5 Gigawatt (GW).
Mit dem sogenannten "Kohleausstieg" fehlt ein großer Teil der bislang gesicherten Kraftwerksleistung, der spätestens dann zur Verfügung stehen muss, wenn Sonne und Wind nicht ausreichen. Hier greift der Bundesrechnungshof etwas auf, was die AfD, Teile der CDU und auch der FDP weiterhin fordern: Neue Gaskraftwerke müssten gebaut werden, die später auch mit Wasserstoff betrieben werden könnten. Fachleute sagen sogar, die Lücke betrage bis zu zehn Gigawatt, also müssten etwa zehn Großkraftwerke gebaut werden. Spätestens Mitte dieses Jahrzehnts müssen diese neuen Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung stehen.
Weitere Risikofaktoren sieht der Rechnungshof im chronisch stockenden Netzausbau und in den eingeschränkten grenzüberschreitenden Austauschkapazitäten für elektrischen Strom. Beides habe erheblichen Einfluss auf die Versorgungssicherheit auch für Deutschland. Selbst die Pläne zur Wasserstoffgewinnung und zur wünschenswerten Elektrifizierung im Verkehr und der Wärmeenergiebereitstellung verursachen weiteren Strombedarf.
Außerdem müsse das Wirtschaftsministerium zur Sicherheit auch Jahre mit extremem Klima berücksichtigen, in denen Wind und Sonne erheblich weniger Strom erzeugen könnten. Ein solches Worst-Case-Szenario fehlt bisher ganz und gar. Ingbert Liebing (CDU), Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), sagt im Handelsblatt:
"Die Bundesregierung muss mehr bei den Themen Finanzierung der Energiewende und Versorgungssicherheit tun. Versorgungssicherheit ist ein wertvolles Gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland, mit dem das Bundeswirtschaftsministerium sorgsamer umgehen muss."
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